Fernsehtestbild – eine ferne Erinnerung an die Sendepause
Es gab eine Zeit, da war das Fernsehen das Leitmedium – seine Bilder prägten die Themen, über die am nächsten Tag gesprochen wurde. Doch gesendet wurde nicht 24/7. Zu später Stunde und vormittags war Ruhe, Schluss, Sendepause. Symbol für diese Auszeiten war das Fernsehtestbild der PTT. Ein Rückblick auf einen nicht allzu fernen Erinnerungsort der Entschleunigung – denn so lange ist das Testbild noch gar nicht verschwunden.
Empfang justieren – Testbild sei Dank
Testbilder sind Zeitzeugen des terrestrischen Fernsehempfangs. Die vom Sendeturm ausgestrahlten Signale wurden zuhause mit einer Antenne eingefangen. In erster Linie diente das Testbild dem Justieren der Empfänger. Durch analytisches Betrachten auf dem Bildschirm, konnte die Empfangsqualität bestimmt und Störungen oder Defekte identifiziert werden. Dafür waren eigens ausgebildete Radio- und Fernsehelektriker zuständig – ein Blick auf das damalige Vokabular lässt vermuten, wieso dabei Personal vom Fach gefragt war: «Bildgeometrie», «Frequenzcharakteristik», «Zwischenzeilenstand», «Impuls- und Amplitudencharakteristik» lassen uns doch eher ratlos zurück. Befand sich die Antenne auf dem Dach, so war die Justierung manchmal eine nicht ganz schwindelfreie sportliche Herausforderung. Es galt, zwischen Antenne und Testbild auf der Flimmerkiste hin und her zu eilen.
Zwischen den 1960er und 1980er Jahren mussten Radio- und Fernsehelektriker für das Einstellen der Fernseher nicht etwa nächtliche Sondereinsätze kurz nach Sendeschluss leisten. TV-Programme wurden hauptsächlich am späteren Nachmittag und abends ausgestrahlt. War kein Programm der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) auf Sendung, so übernahmen die Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (PTT) zeitweise die Ausstrahlung des Testbildes. Der Staatsbetrieb PTT kümmert sich nämlich nicht nur um Post und Telefon, sondern auch um die technischen Belange des Fernsehens wie etwa die Sendeanlagen oder die Studioausrüstung. In den TV-Sendetürmen wurde das Testbild – das sich in der Anfangszeit auf einem Diapositiv befand – von einem Diaabtaster in ein elektronisches Signal umgewandelt und gesendet. Interessierte konnten am Testbild jeweils erkennen, von wo es ausgestrahlt wurde. Ein Kennbuchstabe oder ein Kürzel in einem definierten Feld verrieten die Herkunft des Signals.
Die klassischen Testbilder von SRG und PTT
Das Testbild des TV-Versuchsbetriebs 1953-1958 ist bisher bescheiden dokumentiert. Die Bildmitte dominierte ein Schweizerkreuz. Der Schriftzug «SCHWEIZERISCHE TELEVISION» und «TELEVISION SUISSE» verriet die Herkunft des Signals. Das Design des Testbildes orientiere sich dabei an einem in den 1950er Jahren in Europa gebräuchlichen Universaltestbild. Dieses hatte seinen Ursprung in Amerika. Das seit 1939 verwendete «Indian-Head Test Pattern» des US-Unternehmens Radio Corporation of America (RCA) stand offensichtlich auch für die Schweizer Version Pate.
Mit dem Übergang zum regulären Testbetrieb 1958 wurde beim Schweizer Fernsehen ein neues Testbild eingeführt. Es charakterisierte sich durch einen weissen Doppelkreis und durch ein markantes PTT-Logo mit Schweizer Kreuz. Somit war auch beim Empfang im nahen Ausland klar, woher das Signal stammte. Das Wort «Television» findet sich auf diesem Testbild nicht mehr. Die Verantwortlichen hielten die Bezeichnung aus nachvollziehbaren Gründen für unnötig und für einen «informationstechnischen Pleonasmus», so die Zeitschrift «Technische Mitteilungen PTT» im Jahr 1959.
1968 wurde das Testbild bei der Einführung des Farbfernsehens den neuen Verhältnissen angepasst. Im unteren Bilddrittel war nun eine Reihe charakteristischer Farben zu sehen, die dem international genormtem Farbbalkensignal entsprachen. Eine Grautreppe war weiterhin vorhanden, da die meisten Flimmerkisten zu diesem Zeitpunkt ihr Bild noch immer in schwarz-weiss empfingen.
1972 führte die PTT dann schrittweise ein neues, an das Farbfernsehzeitalter (vgl. https://www.mfk.ch/austauschen/blog/farbfernsehen-in-der-schweiz) vollständig angepasstes, Testbild ein. Basis war nun nicht mehr ein Diapositiv. Neu sorgten Testbildgeneratoren für ein vollelektronisch erzeugtes Bild. Bildbasis war ein Gittermuster und ein zentraler Kreis mit Farb- und Grautreppen. Mittig im Kreis stand zur Kennzeichnung der Signalherkunft ein schwarzer Balken mit einem stilisierten Schweizerkreuz, gefolgt von den Buchstaben «PTT». Die restlichen Kürzel definierten den genauen Ursprung des Signals. So stand beispielsweise «SRG» für das Fernsehstudio Zürich und «GNSO» bedeutete, dass das Testbild von der Sendeanlage auf dem Monte Generoso eingespeist wurde. Die so detailliert codierte Kennzeichnung des Ursprungslandes war nicht einfach ein nüchterner Gruss der PTT-Beamten an die Kundschaft. Da auch die Bundesrepublik Deutschland ein sehr ähnliches Bild – dort Funkbetriebskommission-Testbild (FuBK) genannt – verwendete, machten die Codes in der Bildmitte durchaus Sinn. Für beide Bilder stand wohl ein Testbild von Philips Pate. Das Bild mit dem Kürzel «PM5544» wurde Ende der 1960er Jahre für das PAL-Farbfernsehsystem entwickelt.
Lob des Nichts
Anfangs wurde mit dem Testbild auch ein nervtötendes Tonsignal auf 1000 Hertz gesendet. Es diente der Einstellung der TV-Lautsprecher. Bereits in den 1970er Jahren gingen aber PTT und SRG dazu über, einen belanglosen Mix auf gebührenfreier Musik mitzusenden. Damit avancierte das Testbild zu einer Art meditativen Oase des Nichts – Sendepause als Luxus. Von Newsticker und Social Media geplagte Zeitgenossinnen und Zeitgenossen der Gegenwart mögen sich vielleicht manchmal heimlich das Testbild-Zeitalter zurückwünschen. Analogen Freuden wie ein gutes Buch, ein Gespräch ohne Zeitdruck oder eine ausgedehnte Nachtruhe wurden nicht durch den Stress gestört, allenfalls etwas zu verpassen (#fomo).
Auf dem Weg zum Erinnerungsort
Das Ende des Testbildes kam schleichend. Via Kabel- und Satellitenfernseher flimmerten ab den späten 1980er Jahren zu praktisch jeder Tageszeit ausländische TV-Stationen in den Schweizer Stuben. Grosse europäische Rundfunkanstalten strahlten in den 1990er Jahren dann 24/7-Programme aus. Beim Privatfernsehen ersetzten Hellseher, Kartenlegerinnen, hibbeliges Verkaufspersonal für bizarre Ganzkörpertraining-Gerätschaften sowie nackte Tatsachen das nüchterne Testbild. Wie der ehemalige SRF-Mediendokumentalist Jürg Hut für diesen Artikel recherchiert hat, führte das Testbild 1997-2005 beim Schweizer Fernsehen noch eine kümmerliche Randexistenz. SF2 sendete stattdessen bereits Teletext-Tafeln. Nur SF1 hielt dem Testbild Sonntag-Freitag jeweils für einige Stunden die Treue. Samstags gab es stattdessen auch Teletext-Tafeln zu sehen. Ende März 2005 war es dann soweit. Das Schweizer Fernsehen führte das 24h-Vollprogramm ein und das Testbild war Geschichte. In der Westschweiz und im Tessin dürfte das Testbild – so erinnern sich TV-Techniker – auch um 2005 definitiv verschwunden sein.
Autor
Dr. phil. Juri Jaquemet, Sammlungskurator für Informations- und Kommunikationstechnologie, Museum für Kommunikation, Bern
Dieser Blog-Post erschien ursprünglich auf dem Blog des Schweizerischen Nationalmuseums.
Schon in meiner Jugendzeit hatten wir Fernsehen ab etwa 1955. Das TV-Gerät ist noch vorhanden: Philips Starenkasten TX 1410 U, Baujahr 1951, war ein Schaufenster-Vorführmodell.
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Es heimelet:-)