Viel Lärm um «NICHTS»!
Ganz offensichtlich wollten die Menschen NICHTS sehen, sie rissen sich förmlich darum. Dass die Ausstellung NICHTS wie ein Magnet das Publikum angezogen hat, das war nicht voraussehbar. Genauso jene Dinge, die sich rund um «NICHTS» ereignet haben. Eine kleine Blütenlese mit nichtigen Geschichten.
Fangen wir mit dem Ende an: Als die Ausstellung abgebaut wurde und ich meinem Szenografen nach Berlin stenografierte «NICHTS – Aus!» kam spornstreichs die Antwort: «Macht nichts.»
Nichts funktionierte sowohl als Ausstellung als auch in Papierform. Die NICHTS-Plakate waren heiss begehrt im Museumsshop. Mehrmals mussten wir nachdrucken, weil der Shop dem Marketing die Reserve geplündert hat. Also sollten die drei Plakate, die als Keyvisuals gestaltet wurden, zu einer Jurierung nach Athen versandt werden. In Berlin losgelassen, kam eine Woche später eine Mail aus Athen: «Nichts angekommen». Na dann, alles gut oder wieso meldet Athen überhaupt, dass die Post angekommen sei? Weil die Verpackung der Post angekommen sei, aber deren Inhalt – die NICHTS-Plakate nicht? Genau, die Plakate fehlten in der Verpackung! Nichts war also angekommen, also eben nicht angekommen. Die NICHTS-Plakate haben dann aber auch bei der Preisverleihung nichts gewonnen.
Macht nichts.
Viel zu reden gab der französische Titel der Ausstellung. «Aber RIEN schreibt man doch ohne S?», das ist der bestürzte Tenor vieler Wortmeldungen und E-Mails. Eines Tages fehlte an der Titelwand «NICHTS – NOTHING – RIENS» das «S» bei Riens. Die vielen Rückmeldungen auf diese ungewohnte – aber korrekte Schreibweise – die zuvor beim Museum eingingen, deuteten darauf hin, dass vor allem Lehrpersonen aus und für den frankophonen Teil der Schweiz wenig Verständnis aufbringen wollten für «Les petits riens», die kleinen Nichtigkeiten, auf die wir anspielen wollten mit der Titellage. Wir hatten da so eine Vermutung, wer das S in RIENS an der Titelwand abgekratzt hat. Aber, aber Herr oder Frau Oberleherin! Wenn das die Schüler:innen erfahren…
Macht nichts.
Wir haben wieder ein S eingesetzt. Das hielt dann bis zum Schluss der Laufzeit.
An der Museumsnacht haben unendlich viele Besuchende NICHTS gesehen, auch jene, die ohne den elektronischen Guide durch die Ausstellung schlenderten. Ohne den Guide funktionierte die Ausstellung eigentlich nicht. Sie haben so aber immerhin eine Steigerungsform von Nichts gefunden und das Nichts noch nichtsiger gemacht.
Nur Moreno, der Koch, der im Grunde Ausstellungen nicht mag, diesmal jedoch und unbedingt «NICHTS» sehen wollte, hat gar nichts gesehen! Weil er an seinem freien Sonntagnachmittag wieder umkehrte, als er die Schlange vor dem Museum sah.
Macht nichts, lieber Moreno.
Mein persönliches Glanzlicht in den acht Monaten von NICHTS war allerdings die Begegnung des eingeschlafenen Besuchers im Glashaus mit Touristen aus Asien. Da liegt einer der Längelang auf der Bank, erholt sich von den Strapazen des Alltags und schläft. Das wurde von Besuchenden als Performance wahrgenommen. Sie konnten sich kaum erholen und weckten den Schläfer, um ihm Fragen zu stellen und ihn zu loben. «So eine tolle Idee, jemanden fürs Nichtstun anzustellen und ihn auch noch dafür zu bezahlen», sprudelte es aus den Mündern der Besucher. Der Erwachte liess sich nicht zweimal bitten und spielte mit. «Ja, ganz toll die Idee, die sich das Museum hier leisten kann. Ich muss Nichts tun und kriege Lohn dafür».
Das wars jetzt mit NICHTS.
Aus, vorbei.
Ja, macht nichts. Auch das blosse Nichts kann mir nichts anhaben.
Scho guet.
Fa niente, ces petits riens.
Fa niente – Scho guet – De nada – Don't mention it!
Autor
Kurt Stadelmann, Ausstellungskurator, Museum für Kommunikation, Bern
Ich brachte sie in den Workshopraum von NICHTS, wo nichts war ausser ein Stapel Stühle, von denen ich ihnen zwei hinstellte. Dort sassen sie 20 Minuten je abgewandt voneinander, so erzählten sie mir vollkommen ergriffen und dankbar hinterher.
Danke auch für die vielen Wortspielereien rund um nichts.
Eine unvergessliche Ausstellung!
E .Huber