Navigieren auf der MfK-Website

Alles gratis?

Letzten Endes dreht sich alles ums Geld. Auch beim Museumsbesuch ist der Eintrittspreis ein oft genanntes Hindernis. Was geschieht eigentlich, wenn diese Hürde wegfällt? Zugänglich für alle, klingt gut. Aber kommen dann auch alle? Wir haben genau hingeschaut.

Samstag im August – in den Berner Museen ist es rappelvoll! Vor unserem beliebten Videokaraoke bildet sich eine Schlange, überall grosse Menschentrauben. Der Rekordtag im Museum für Kommunikation: 1743 Besuchende an einem Tag. Und das mitten im Sommer, wo sonst Museumsflaute herrscht. Der Grund für diesen Andrang ist – neben den tollen Inhalten der Museen natürlich – auch der Gratiseintritt. Die Aktion «Gratis ins Museum» findet seit Jahren jeden Samstag im August statt und ist ein grosser Publikumsmagnet.

Welche Schlussfolgerungen kann man daraus ziehen? Sollte der Eintritt in die Museen das ganze Jahr über gratis sein, damit noch mehr Besuchende vom Museum profitieren können? Diese Forderung taucht ab und zu auf – obschon heute kaum noch etwas hochwertiges kostenlos zu haben ist. Die Antwort auf diese Frage ist vielschichtig. Einerseits kämpfen viele Museen bereits mit Finanzierungsproblemen. Aktuell bereiten die Teuerung und massiv gestiegene Energiepreise den Buchhaltungsabteilungen viel Kopfzerbrechen. Mit dem Gratiseintritt würde eine wichtige Finanzierungsgrundlage wegfallen. Grosszügige Finanzierer, welche diese Delle in der Rechnung ausgleichen würden, sind nicht in Sicht.

Darüber hinaus ist gratis auch nicht nur besser. Eine Studie aus Deutschland liefert hier interessante Ergebnisse. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst liess in Baden-Württemberg 2019 den Gratiseintritt in die Dauerausstellungen verschiedener Museen untersuchen. Verändert der Gratiseintritt die Struktur der Besuchenden? Kommen insbesondere mehr junge und sogenannt «bildungsferne» Menschen ins Museum? Die umfassende Studie kombiniert Erkenntnisse aus bestehenden Studien und verschiedene Erhebungsmethoden in den Museen. Damit bietet sie eine gute Übersicht über die Aspekte der Diskussion. Die erste Erkenntnis: Besuchsentscheidungen basieren auf einem komplexen Mix von mehreren Faktoren. Der Kostenfaktor ist einer davon. Er wird oft als Grund genannt. Studien zeigen aber auch, dass er gerne mal vorgeschoben wird und bei genauem Hinschauen andere Faktoren bedeutsamer sind.

Klar ist: Fällt der Eintritt weg, steigen die Besuchszahlen. Vor allem junge Menschen sprechen darauf an. Ein Effekt auf sozial benachteiligte Personen kann aber nicht nachgewiesen werden. Insgesamt verändert sich in der Struktur der Besuchenden relativ wenig. Vereinfacht gesagt: Derselbe Besuchstypus wie bisher kommt häufiger vorbei, bezahlt aber nicht mehr. Gleichzeitig sinkt die Zahlungsbereitschaft für andere kostenpflichtige Angebote. Die Besuchenden bleiben im Durchschnitt kürzer und geben weniger Geld im Shop und Café aus. Das Fazit aus der Studie ist damit gemischt: Mit Gratiseintritt kommen mehr Menschen ins Museum, das ist großartig. Aber es sind nicht die anvisierten Museums-fernen Besuchenden. Gleichzeitig benötigen die Museen zusätzliche Finanzierung in grösserem Umfang, um die fehlenden Einnahmen auszugleichen.

Blick ins Museum für Kommunikation mit vielen Besuchenden. Zahlreiche Menschen stehen auf einem roten Teppich und schauen sich das Museum an. - vergrösserte Ansicht
Besondere Anlässe mit reduziertem oder kostenlosem Eintritt bringen viele Besuchende ins Museum. (Bild von der Museumsnacht / Fotograf: Marius Stalder)

Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch in einer Befragung, welche die grossen Berner Museen 2023 anlässlich der Aktion «Gratis ins Museum» gemacht haben. Mehr als die Hälfte der Befragten sind neue Besuchende. Aber auch hier: Es sind nicht Menschen, die sonst nicht ins Museum gehen – sondern eher Menschen, die sonst in andere Museen gehen. Wie in der Studie aus Baden-Württemberg spielt der Kostenfaktor für Junge eine grössere Rolle. Die Aktion trägt damit zur Horizonterweiterung bei. Und immerhin rund 10% geben an, dass sie sonst nicht in Museen gehen. Vier von fünf Personen geben an, dass sie auch ohne Gratiseintritt gekommen wären. Und trotzdem spielt der Preis bei den offenen Fragen dann wieder eine Rolle. Offensichtlich sind sich auch die Besuchenden nicht einig bezüglich kostenlosem Zugang. Die meisten sind durchaus bereit, einen fairen Preis zu zahlen. Diese Tage hat gerade eine Besucherin einen Gratiseintritt abgelehnt, den ich ihr auf Grund eines Missverständnisses angeboten habe: «Wir kommen sehr gerne zu Ihnen und es ist das Geld definitiv wert.»

Kurzum – geniessen wir den Gratiseintritt an den Samstagen im August und lassen uns inspirieren! «Gratis ins Museum» ist eine wunderbare Gelegenheit, um Neues zu entdecken und unbekannte Museen zu erkunden. Es hat aber auch seine Logik, dass der Eintritt nicht immer kostenlos ist. Mit den Einnahmen entwickeln die Museen neue Angebote und überraschen die Besuchenden beim nächsten Ausflug. Letztlich kommt das Geld damit immer wieder zu den Besuchenden zurück.

Autor

Nico Gurtner, Leiter Marketing & Kommunikation, Museum für Kommunikation, Bern

>>>

Jeden Samstag im August ist der Eintritt ins Museum für Kommunikation und 16 andere Berner Institutionen dank der Aktion "Gratis ins Museum" kostenlos.

gratisinsmuseum.ch

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

X