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Alltagsmode mieten statt kaufen - das Unternehmen „Teil“ in Bern

In vielen Lebensbereichen gibt es flexible Abo-Modelle, wie beim Car-Sharing oder der Velomiete. Auch im Kleidungsbereich können schon lange Kostüme oder Abendkleider gemietet werden. Zunehmend gibt es auch Abo-Modelle für Alltagsmode. In Bern nimmt dabei das Start Up „Teil“ eine Vorreiterrolle ein.

Ein Porträt als Gastbeitrag von Silvio Koelbing, Reporter ohne Barrieren.

Nach Statistiken von Umweltorganisationen besitzen europäische Frauen im Schnitt 118 Kleidungsstücke, und kaufen pro Jahr 60 neue Stücke. Dabei werden Socken und Unterwäsche nicht mitgerechnet. Von den neu gekauften Kleidern werden 40 Prozent oft nicht oder nur zwei- bis viermal getragen und teils schon nach weniger als einem Jahr aussortiert. So fallen pro Jahr 6.3 kg Altkleider pro Person an. Dementsprechend ist die Kleiderindustrie mit vielen Belastungen für die Umwelt verbunden. Solche Zahlen und weitere Recherchen zu Themen wie Nachhaltigkeit und Fair Fashion haben die Mitgründerin Debora Alder-Gasser dazu bewogen, zu einem nachhaltigeren Konsum von Kleidung beitragen zu wollen. Die Idee, ein Unternehmen zu gründen, bei dem eine grosse Auswahl an Frauenmode gemietet werden kann, entstand schliesslich in der Familie. Ein Vorbild für das Geschäftsmodell war die Kleiderei in Köln, die ebenfalls ein grosses Sortiment an Mode ausleiht. Bald war das fünfköpfige Gründungsteam gefunden und nach einem Crowdfunding gründete das Team dann „Teil“.

Wie funktioniert „Teil“?

Wichtiges Prinzip von „Teil“ ist laut Alder-Gasser, mit dem Sortiment und den Abos viel Flexibilität zu bieten, um die Hürden bei der Nutzung möglichst gering zu halten. Entsprechend breit ist das Sortiment: Es reicht etwa von T-Shirts, Pullover und Hosen bis hin zu Blazer. Genauso gibt es Accessoires und Schuhe. Kundinnen, die bei „Teil“ auch Teilerinnen heissen, können alle Stück vor Ort im Laden in Bern anschauen und anprobieren. Es ist möglich, die Abos mit einer Kreditkarte direkt im Laden oder über die Homepage zu lösen. Derzeit bietet „Teil“ drei Arten von Abos an. Das Günstigste namens „Abo One“ kostet 19 CHF pro Monat, dabei kann die Kundschaft ein Kleidungsstück aufs Mal beziehen. Mit dem „Abo Basic“ sind es drei Stücke, es kostet 39 CHF pro Monat. Sechs Stücke sind es mit dem „Abo Extended“ für 59 CHF pro Monat. Bei den beiden teureren Abos gibt es Rabatte für Studentinnen.

Die Teilerinnen können die gemieteten Kleidungsstücke jederzeit austauschen und müssen sie nicht für eine bestimmte Dauer behalten. Das dient laut Alder-Gasser auch dazu, aufzuzeigen, dass Stil, Abwechslung und Nachhaltigkeit sich nicht gegenseitig ausschliessen müssen. So ist es bei „Teil“ etwa möglich, zwischen verschiedenen saisonalen Farben nach Bedarf zu wechseln. Auch in der Handhabung der Abos gibt es Spielraum. Brauchen Teilerinnen mehr Kleidungsstücke, können sie jederzeit auf ein grösseres Abo wechseln. Ebenso ist jederzeit der Wechsel auf ein kleineres Abo möglich. Das Abo läuft automatisch so lange weiter, wie die Kundin Kleidungsstücke bei sich hat.

Erfahrungen zeigen, dass das Mieten von Kleidung einen Effekt auf die Beziehung von Teilerinnen zum Kleiderkonsum haben kann. Eine überzeugte Teilerin erzählt im Laden, dass das Mieten von Kleidung bei „Teil“ sie angeregt hat, über ihren Bezug zur Kleidung nachzudenken. Seit sie bei „Teil“ Kleider mietet, kauft sie weniger Kleider neu. Sie kauft seither kaum mehr Fast Fashion und mehr nachhaltige Mode. Zu „Teil“ kommt sie je nach Bedarf, um Kleidungsstücken in saisonalen Farben zu mieten.

Durchs Schaufenster geht der Blick ins Innere des Ladens mit Kleidern zum Ausleihen. Im Schaufenster der Slogan: Leih dein Teil, Teil dein Style. - vergrösserte Ansicht
Leih dein Teil - Teil dein Style. Teil versucht zu einem neuen Umgang mit Mode anzuregen.

Die Hintergründe von „Teil“

Seit der Gründung im Jahr 2020 wird „Teil“ als Pop-up-Store betrieben. Das heisst, das Unternehmen hat bisher keinen festen Standort, sondern mietet jeweils temporär leerstehende Geschäftsräume für eine limitierte Zeitdauer. Der aktuelle Standort an der Marktgasse 46 in Bern ist bereits der dritte. Das stetige Umziehen bringt Umstände mit sich, das Mieten von Pop-up-Standorten hat umgekehrt aber den Vorteil, gemessen an den verfügbaren Finanzen kostengünstige zentrale Standorte finden zu können. Die gute Erreichbarkeit sei ein weiteres Element, um die Hürden für Kundinnen so gering wie möglich zu halten, sagt Alder-Gasser.

Die meisten Kleider bekommt das Start Up über Spenden, zur Ergänzung kauft „Teil“ selber Kleidungsstücke ein. Dabei sind verschiedene Faktoren wichtig. Einerseits sollte die Produktion möglichst nachhaltig sein. Andererseits ist für „Teil“ auch das Geschäftsmodell der Kleiderproduzenten von zentraler Bedeutung. So kauft „Teil“ bevorzugt von Unternehmen, die sich auf wenige Kollektionen pro Jahr beschränken und sich so gegen den Überkonsum engagieren. Auch kooperiert „Teil“ gerne mit Schweizer Designerinnen, wie Tabitha Wermuth oder Pfeffer Verbeek. Für die gespendeten Kleider sind die Kriterien dagegen lockerer. Wichtig ist aber auch hier, dass ein guter Qualitätsstandard eingehalten wird, was bei Ultra Fast Fashion nicht der Fall ist. Von Ultra Fast Fashion wird gesprochen, wenn Unternehmen möglichst billig möglichst grosse Mengen von Kleidung produzieren. Ein Beispiel ist das Unternehmen Shein, welches laut Recherchen des „Spiegel“ täglich 1000 neue Produkte auf den Markt bringt. Durch die billige Produktion ist oft auch die Qualität so schlecht, dass die Produkte kaum mehr als einige wenige Male getragen werden können.  Entsprechend werden bei „Teil“ solche Produkte nicht ins Sortiment genommen.

Die „Teil“-Community

Auch wenn das Abo-Modell von „Teil“ kommerzieller Natur ist, hat es einen Communityaspekt. So sind die hinter der Kleidervermietung stehenden Geschichten oft sehr spannend. Derzeit läuft eine Kampagne auf Social Media, in der Kundinnen und Spenderinnen Kleidungsstücke vorstellen. Das gibt neben Nutzungsmöglichkeiten, auch Einblick in Geschichte und Herkunft der Stücke. Auch gibt es manchmal Events. Diese Communityaspekte möchte „Teil“ in Zukunft noch mehr nutzen.

Generell ist es laut Alder-Gasser für „Teil“ wichtig, kontinuierlich Neues auszuprobieren. Am aktuellen Standort sind es etwa einige kleinere Store-in-Store-Konzepte. Dabei können derzeit vier Geschäftspartner:innen von „Teil“ ihre Produkte ausstellen und im Laden verkaufen. Darüber hinaus wäre es laut Alder-Gasser mittelfristig spannend, irgendwann zusätzliche Standorte erschliessen zu können.

Autor

Silvio Koelbing, Reporter ohne Barrieren

Reporter:innen ohne Barrieren im Museum für Kommunikation

Anfangs März 2023 arbeitet das Team von Reporter:innen ohne Barrieren an zwei Tagen im Museum für Kommunikation und lässt sich von unserer Ausstellung Planetopia – Raum für Weltwandel für seine Arbeit inspirieren. Wir freuen uns, dass wir so ihre Arbeit unterstützen können und dürfen hier einzelne Berichte veröffentlichen, die in diesem Rahmen entstanden sind.

Ein weiterer Artikel zum Thema Kleidung und Ökologie von Nathalie Anderegg, Reporterin ohne Barrieren:

Toxische Fast-Fashion-Industrie: Gibt es Alternativen?

Das Museum für Kommunikation in Bern möchte seine Besucher mit der Ausstellung Planetopia noch bis zum 23. Juli 2023 zum Nachdenken über Umweltthemen anregen. Eines der Themen geht uns alle an, denn wir alle brauchen sie: Kleidung.

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