Das Beste von Gezeichnet 2024
Aus fast 250 Pressezeichnungen hat die Jury des Swiss Cartoon Award die Sieger gekürt und damit die Diskussion lanciert: Welches ist die beste Pressezeichnung des Jahres? Warum auf dem Podest auch vier Preisträger Platz finden und wie sich Politik, Nonsense und Meinungsfreiheit ergänzen.
Man könnte stundenlang darüber diskutieren, ohne ein eindeutiges Ergebnis zu finden: Welches ist die beste Pressezeichnung der letzten zwölf Monate? Fast 250 Werke stehen in der Ausstellung Gezeichnet 2024 – Die besten Schweizer Pressezeichnungen des Jahres zur Auswahl. Und es ist ein guter Jahrgang. Längst ist klar: Ein Jahr voller Krisen ist gut für die Satire. Keine leichte Aufgabe, hier schon nur eine kleine Auswahl der Favoriten zu treffen. Da gibt es reihenweise brillant komprimierte Geschichten, viel pointierten Humor und hervorausragende zeichnerische Leistungen. Hinzu kommen einige Tausend Besuchende – alle mit anderen Vorlieben. Vielfalt ist hier leichter zu finden als ein Konsens über die beste Zeichnung. Aber zum Glück gibt es einen einfachen Ausweg: Die Jury vom Swiss Cartoon Award hat uns diese lange Diskussion abgenommen und einen Vorschlag gemacht.
Hier finden Sie die Top 3 Zeichnungen aus der Ernte 2024 aus Sicht der Jury – unterschiedlich und vielfältig. Sie zeigen die Stärke der Pressezeichnung auf: Wie sie mit viel Geschick, aber wenigen Mitteln eine komplexe Welt aufs Papier bringt.
3. Platz – Patrick Chappatte
Ist da nicht bereits alles gezeichnet worden? Bereits seit Jahren hält Donald Trump die Pressezeichner:innen auf Trab und trotzdem führt auch 2024 kein Weg an ihm vorbei. Das ganze Jahr über hängen die Präsidentschaftswahlen in den USA wie ein dunkler Schatten über allem. Absurditäten, Grenzüberschreitungen und dann der Kulminationspunkt im November: Erstmals wird ein verurteilter Straftäter ins höchste Amt der Welt gewählt. Jubel auf der einen Seite, ungläubiges Entsetzen auf der anderen. Nichts scheint diesen Mann aufzuhalten.
Diesen Stoff verarbeitet Patrick Chappatte wie kein zweiter. Als langjähriger Zeichner der internationalen Ausgabe der New York Times kennt er die politische Landschaft der USA ausgezeichnet. Er zeigt: Diesmal braucht es keinen Sturm aufs Kapitol, die Impfgegner, Verschwörungstheoretiker und Klimaleugner kommen ganz einfach im Schlepptau des neuen Präsidenten ins Weisse Haus.
2. Platz – Ruedi Widmer und Vincent Di Silvestro
Der Problematik der Auswahl ist auch die Jury nicht ganz entkommen. Manchmal sind zwei Zeichnungen völlig anders und doch gleich überzeugend. So muss die Jury einen Joker aus der Tasche ziehen und vergibt den 2. Platz doppelt: Ruedi Widmer und Vincent Di Silvestro teilen sich die Lorbeeren.
Vincent Di Silvestro entfesselt mit Bundesrat Albert Rösti ein wildes Universum, das einem zum Nachdenken bringt. Als Vorsteher des UVEK ist Rösti sowohl für die Kernenergie wie auch für die Biodiversität zuständig. Mit einer gelungenen Pointe verknüpft Vincent Di Silvestro diese beiden Themen zu einem kleinen Gruselkabinett.
Ruedi Widmer befasst sich seinerseits mit der Digitalisierung. Sie betrifft uns alle. Doch Widmer denkt dieses «alle» weiter und bringt es in seiner einmaligen Art auf eine herrlich absurde Ebene. «Ruedi Widmer schafft etwas, das ganz wenige Zeichner:innen können, nämlich Nonsense-Humor zu verbinden mit einem gesellschaftspolitischen Ansatz.», würdigt Lea Willimann (künstlerische Leiterin Comicfestival Fumetto) die Zeichnung. «Das ist eine ganz eigene Kunstform, fast ein eigenes Genre.»
1. Platz – Oger (Andreas Ackermann)
Wie gerne würden wir in Schwarz-Weiss-Logiken denken. Ja oder nein, dafür oder dagegen – so müsste es sein. Man muss ja eine Meinung haben! Doch leider ist die Realität selten so gestrickt, dass sich dieses einfache Muster darüberstülpen lässt. Das führt uns der Nahost-Konflikt wieder einmal schmerzhaft vor Augen. Das Thema Meinungsfreiheit erhält plötzlich eine neue Dimension. Ist die Meinung eine Pflicht?
Der Zeichner Oger, mit bürgerlichem Namen Andreas Ackermann, hat dies mit seiner Zeichnung für das Onlineportal «die Petarde» so überzeugend auf den Punkt gebracht, dass ihm die Jury den ersten Platz zugesprochen hat. Yves Bossart, Philosoph und Moderator, fasst das Jury-Urteil kurz und knapp zusammen: «Beim Siegerbild hat mich überzeugt, dass es für uns alle sehr schwierig ist, eine Meinung zum Nahostkonflikt zu haben. Das ist sehr schön umgesetzt mit Halloween, Süsses oder Saures. Sehr einfach, sehr eingängig.»
Verdichten ist die grösste Kunst. Da können wir nur noch gratulieren: Bravo, Oger! Und zum Schluss empfehlen wir Ihnen den Besuch in die Ausstellung Gezeichnet 2024 – da gibt es auch die anderen 242 Zeichnungen zu sehen. Dabei haben Sie auch die Möglichkeit Ihre Stimme für den Publikumspreis 2024 abzugeben und die Diskussion um «die Besten» erneut zu lancieren.
Jury des Swiss Cartoon Award
Caroline Rutz, Cartoonistin und Gewinnerin des Publikumspreises 2023)
Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel
Yves Bossart, Philosoph und Moderator SRF Sternstunde Philosophie
Lea Willimann, künstlerische Leiterin Comicfestival Fumetto Luzern
Marco Ratschiller, Cartoonist, Präsident Verein Gezeichnet
Autor
Nico Gurtner, Leiter Marketing & Kommunikation, Museum für Kommunikation, Bern