«Dieser Sommer war auch mir zu heiss!» – Planetopia in der Badi
Was passiert, wenn das Museum in die Badi geht? Wir wollten es wissen, packten unsere Sachen und reisten mit dem Planetopia-Pop-up nach Reiden im Kanton Luzern. Dort gibt es ein schönes Frei- und Hallenbad. Aber ist das der geeignete Ort, um mit wildfremden Menschen über die Öko-Krise zu sprechen? Ein Erfahrungsbericht als Gespräch zwischen Barla, Sarah, Stefan und Zita.
SONNENCREME, POMMES, CHLOR – UND HEMMUNGEN
Zita: «Wenn ich bei der Vorbereitung an diese Tage in der Badi dachte, sah ich vor meinem inneren Auge die Badi, in der ich als Kind und Jugendliche die freien Sommernachmittage verbrachte. Ich roch Sonnencreme, Pommes und Chlor.»
Sarah: «Ich freute mich im Vorfeld auch auf den Einsatz, stellte es mir schön vor, bei Sommerwetter draussen zu sein und mit gut gelaunten Menschen über spannende Themen zu sprechen. Aber natürlich schwang auch eine Unsicherheit darüber mit, wie die Menschen auf uns und unsere Fragen reagieren würden.»
Zita: «Ja, diese Bedenken hatte ich auch. Werden sie Freude haben an unserem Besuch? Werden sie misstrauisch und kritisch oder neugierig und offen sein? Ich war gespannt. Und ich war skeptisch, ob wir nicht als Eindringlinge wahrgenommen würden. Die Badi ist für mich ein spezieller Ort: Einerseits ist es ein öffentlicher Ort, an dem man sich begegnet. Andererseits ist es ein intimer Ort, mit mehr nackter Haut als anderswo. Da wird gedöst, geduscht, der Körper trainiert und lebhaft gespielt. Es ist ein Ort, an dem wir uns zeigen, auch im körperlichen Sinn. Wir machen uns angreifbar. Vielleicht aber war genau das mitunter ein Grund, warum die Leute sich öffneten und uns an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben liessen.»
Barla: «Das finde ich eine spannende Überlegung. Aber genau diese intime Badi-Situation hat mir zu Beginn etwas Bauchweh gemacht. Ich erinnere mich, dass wir am ersten Tag alle etwas überfordert waren, wie wir nun richtig in die Gespräche starten sollen. Für mich persönlich hat es grosse Überwindung gebraucht, um in diesem Setting die Leute anzusprechen.»
Zita: «Mir ging es gleich! Ich hatte grosse Hemmungen zu Beginn.»
Stefan: «Ich verfolge da jeweils die Strategie: Hopp, los, nicht zu viel denken, reinstürzen!»
Barla: «Diese Strategie habe ich dann auch ausprobiert und es entstanden viele spannende Gespräche.»
Zita: «Absolut! Und wenn du dann den ersten Kontaktaufbau überlebt hast, sogar ein richtig schönes Gespräch daraus wurde, dann geht es schon viel einfacher...»
Sarah: «Es kostete auch mich grosse Überwindung, mich in Badekleid und Kommunikator:innen-Shirt zu einer Mutter an den Beckenrand zu setzen, Füsse im Wasser, und das erste Gespräch zu beginnen. Sie war aber total offen und interessiert, was mir natürlich Mut machte für die weiteren Gespräche. Auch diese waren durchwegs positiv. Nicht immer erreichten die Gespräche die gleiche Tiefe und das gleiche Eintauchen ins Thema, aber ich denke, das ist normal.»
GESPRÄCHE ÜBER MAGNETMOTOREN UND SKIWACHS
Barla: «Dieses Gefühl der Unsicherheit und Überwindung kommt auch daher, dass wir nicht im gewohnten Umfeld des Museums waren.»
Stefan: «Ja, das stimmt, das Museum bietet uns Kommunikator:innen einen sicheren Rahmen.»
Barla: «Ja, und die Besuchenden, die ins Museum kommen, erwarten ja auch, dass wir sie ansprechen und eine Interaktion beginnen.»
Stefan: «Bei der Badi ist das anders. Da draussen wartet niemand auf uns ...»
Sarah: «Die niederschwelligen Fragen zu den Ferien, dir wir dabeihatten, fand ich als Eisbrecher und Einstieg ins Thema sehr hilfreich. Alle hatten etwas zu erzählen und ich konnte dann bei gewissen Aussagen einhacken und tiefer ins Planetopia-Thema eintauchen.»
Stefan: «Ich denke mir jeweils, dass ich einen Anfang mache und dann entwickelt sich das Gespräch. Darum geht es ja, dass von mir ein Input kommt und dann ist alles offen. Was dann entstanden ist, hat mich sehr positiv überrascht. So gute Gespräche, so wohlwollende Menschen.»
Sarah: «Auch ich war positiv überrascht davon, wie gut es gelaufen ist.»
Stefan: «Ich hatte eine Begegnung mit einem Mann aus Mazedonien. Er sagte mir, die Klimakrise sei Politik, er glaube nicht daran. Es gehe darum, dem Normalbürger die Freude zu nehmen. Ihn interessiere das nicht. Aber, sagte er, es werde schon wärmer, das merke er, und dagegen müsse man etwas machen. Er mache ja auch etwas dagegen. Er gehe in den Herbstferien in die Türkei, weil er sich da einen Magnetmotor kaufen wolle. Einen Motor, der ohne Energie läuft und gleichzeitig ein kleines Kraftwerk für den Heimgebrauch sei. Offenbar habe ich etwas skeptisch dreingeschaut. Er machte einen Schritt auf mich zu, schaute mir in die Augen und sagte: ‘Du glaubst mir nicht?’ Darauf zückte er sein Handy und zeigte mir eine Demonstration eines Magnetmotors an der Uni Delft. Damit hat er mir einen Floh ins Ohr gesetzt. Ich versuche seither herauszufinden, ob da wirklich was dran ist. Ich habe einen Erfinder vom Atelier Lorraine und den ehemaligen Versuchsleiter des Physikalischen Instituts der Uni Bern angefragt, was sie von diesem Motor halten ... Ich bin gespannt! Der Input dieses Mannes hat bei mir also etwas ausgelöst, hat mich dazu gebracht, in meiner Freizeit Nachforschungen anzustellen.»
Barla: «Mir ist ein Gespräch mit einem Profi-Skifahrer geblieben. Er erzählte mir, dass sie dieses Jahr erstmals nicht im Sommer auf dem Gletscher trainieren konnten, weil es zu wenig Schnee hatte. Ich machte die Bemerkung, dass eigentlich die Zukunft des Skisports in Gefahr sei und fragte ihn, ob der Skiverband etwas dagegen unternehme, in Form von Kampagnen, Aufklärung und Sensibilisierung? Er verneinte, davon wisse er nichts. Aber sie müssten seit diesem Jahr einen anderen Ski-Wachs benutzen, da der Alte die Böden verschmutzt habe. Und in Zukunft werde wahrscheinlich auf Kunstschnee und in Skihallen trainiert.»
EINE DIKTATUR WÄRE BESSER ...
Zita: «Eine Person hat mir erzählt, sie sei noch nie in der Schweiz, sondern nur im Ausland in den Ferien gewesen – das hat mich überrascht. Eine andere Person, die ebenfalls meist ins Ausland in die Ferien fährt, meinte, dass sie schon in der Schweiz Ferien machen würde, aber nur, wenn sie eine Garantie für schönes Wetter bekäme. Ferien in der Schweiz seien ihr wettertechnisch zu riskant. Besonders in Erinnerung blieb mir auch die Begegnung mit einer Gruppe aus drei verschiedenen Generationen – es entstand eine angeregte Diskussion, unter anderem über Windräder und den Widerspruch zwischen Umweltschutz und Stromerzeugung. Eine Person nervte sich, dass es so lange dauere und es viele bürokratische Schritte brauche, bis Windräder aufgestellt werden könnten. ‘Es gibt tausend Vereine, die Einspruch einlegen können.’ Eine andere Person entgegnete: ‘Das ist halt Demokratie.’ Schliesslich einigte sich die Gruppe mit einem Augenzwinkern darauf, dass eine Diktatur für die Umwelt besser wäre, und wir besprachen, welche Umweltmassnahmen wir als Dikator:innen durchsetzen würden: Autos verbieten, Windräder subventionieren, Bitcoins verbieten, E-Autos subventionieren ... Beim letzten Vorschlag ging die Diskussion gleich wieder los und die Emotionen kochten hoch: ‘Aber doch nicht noch mehr Stromverbrauch – das kann doch nicht die Lösung sein! Sogar viele Kinderspielzeuge brauchen Strom.’
Ich habe in diesen Tagen zudem mehrmals mit Müttern von Kleinkindern gesprochen und dadurch neue Perspektiven gewonnen. So erzählte mir eine Mutter, dass sie während dieses heissen Sommers nicht mehr wusste, wohin sie mit ihren Kindern gehen sollte. In ihrer Wohnung seien es 28°C gewesen und die Spielplätze aufgrund der Beton- und Gummiflächen aufgeheizt.»
Sarah: «Die Hitze dieses Sommers, der fehlende Regen und der drohende Wassermangel wurden oft genannt. Der Ukraine-Krieg war auch ein Thema sowie die Energiekrise.»
Zita: «Ja die Hitze dieses Sommers war ein häufiges Thema: ‘Ich habe es gerne heiss, aber nicht so heiss wie diesen Sommer. Das war jetzt auch mir zu heiss!’ Und auch das Thema Abfall wurde häufig erwähnt. Mehrere Personen erzählten, wie sie zuhause recyceln. Und mehrere Personen ärgerten sich über andere Leute, die ihren ‘Güsel einfach liegen lassen’.»
EINZELNE PERSONEN KÖNNEN INSPIRIEREN
Zita: «Ich hatte den Eindruck, dass die ökologische Krise die Leute beschäftigt und Sorgen macht und dass sie sich verantwortlich fühlen. Häufig spürte ich ein Schuldgefühl mitschwingen: ‘Ich sollte mehr machen’ und ‘Im Alltag rückt das Thema in den Hintergrund, aber eigentlich weiss ich schon, dass es wichtig ist’. Auch eine gewisse Überforderung mit dem Thema nahm ich wahr: ‘Ich weiss, dass wir Menschen Schuld an der Krise sind, aber was kann ich machen?’ Wut war als Gefühl ebenfalls mit dabei: auf die Menschen, die ihren Abfall liegen lassen, auf die ‘Politiker’, die sowieso machen, was sie wollen, auf die Kriegssituation und auf diejenigen, die Windenergieprojekte aus Umweltschutzgründen blockieren. Zum Glück fehlte auch die Hoffnung nicht, dass wir das schon noch schaffen, gemeinsam – ‘Was bleibt uns anderes übrig?’»
Sarah: «Das war auch mein Eindruck. Die Menschen machen sich Gedanken, das Thema ist in den Köpfen und es lässt niemanden kalt. Ich fand es schön, dass viele sehr persönlich gesprochen haben: Was beschäftigt mich? Wie verhalte ich mich und was könnte ich ändern, respektive was tue ich bereits?»
Stefan: «Zudem war es sehr schön und aufregend, aus der eigenen Blase hinauszutreten. Das ist im Museum viel weniger der Fall. Abgesehen von Schulklassen und Geschäftsausflügen kommen die Leute ins Museum, weil sie sich auf etwas einlassen wollen, weil sie wissbegierig sind. Sie sind sogar bereit, dafür Geld auszugeben. Bei der Badi gibt es diese Passform nicht. Die Leute, die ich angesprochen habe, waren viel diverser in ihren Meinungen. Sie stehen an ganz anderen Orten im Leben und kommen aus anderen Gesellschaftskreisen. Für mich war es sehr spannend mit Leuten mit Migrationshintergrund über dieses Thema zu sprechen. Das Thema ist der Wahnsinn! Wenn der Einstieg einmal geschafft ist, geht das Gespräch wirklich tief. Und wird so persönlich! Die Leute haben von ihrer Kindheit erzählt, von ihren Wünschen, ihren Träumen, von ihren Ängsten, von dem, was ihre Kinder von uns erben werden ... Perspektivlosigkeit, Leben und Sterben.»
Barla: «Ja, das erging mir gleich. Ich habe so viele unterschiedliche Lebensgeschichten an diesen Tagen gehört, eine echte Erweiterung meines eigenen Horizonts. Durch die Gespräche ist mein Verständnis für unterschiedliche Lebenssituationen, für die unterschiedlichen Bubbles, in denen wir leben, gewachsen. Ich habe im Verlauf der Tage über so unterschiedliche Themen gesprochen. Automotoren, Schnee, Kleider, Essen, Reisen, Kinder, Vergangenheit ...»
Sarah: «Das mit den Bubbles finde ich sehr wichtig. Ich bin selbst in einem ähnlichen Dorf wie Reiden aufgewachsen, da ist der Groove einfach anders als in der Stadt und folglich sind auch die Themen, mit denen sich die Menschen befassen, andere. Ich habe an diesem Tag als Kommunikatorin wichtige Erfahrungen gesammelt und Erkenntnisse mitgenommen. Über Dialog und Gesprächsführung, darüber welche Fragen ich stellen muss und wie. Aber auch über Menschen habe ich einiges gelernt, darüber was sie beschäftigt.»
Zita: «Und es wurde deutlich, welche Wirkung das Verhalten und Engagement von Einzelpersonen haben kann. Weil Einzelpersonen in Systeme eingebettet sind und Einfluss auf ihr Umfeld haben, Inspiration sein können. Eine Begegnung blieb mir diesbezüglich besonders in Erinnerung: Eine Frau erzählte, dass ihre beiden jugendlichen Töchter sie zum Umdenken gebracht hätten. Die beiden hätten aufgehört Fleisch zu essen, und sie, die Mutter, esse nun auch vegetarisch. Nächstes Jahr habe die Familie Ferien in England geplant. Die Töchter hätten klar gemacht, dass sie nur mitkämen, wenn die Familie mit dem Zug reist.»
Autor:innen
Zita Bauer, Sarah Fuhrer, Stefan Käsermann und Barla Pelican, Museum für Kommunikation