Ein Leben für die Post - Schweizer (Post-)Dynastien
Schweizer Familiendynastien gibt es einige, denken wir an die Pharmariesen in Basel wie Hoffmanns und Oeris oder an die Zirkuswelt der Knies. Manch Posthalterkind rutschte ebenfalls hinter den Schalter und blieb dem gelben Riesen über Jahre treu.
Für seine Familie kann man nichts, heisst es, da wirst du einfach hineingeboren. Cool natürlich, du kommst als Knie zur Welt, also nicht anatomisch gesehen, sondern als Sprössling der grossen Zirkusdynastie.
Keinen Zirkus um die Berufswahl machten die Zurflühs in Kastanienbaum. 98 Jahre lang trug der Posthalter den Nachnamen Zurflüh. 1917 kam Robert Zurflüh mit Ross, Wagen und dem Wunsch, Posthalter zu werden aus Eigenthal nach Kastanienbaum. Der Grundstein einer Posthalterdynastie wurde gelegt. Der Posthalter war ein attraktiver Beruf, um aber als solcher zu bestehen, musste er ein eigenes Postgebäude erstellen. So lautete die Vorgabe, um von der Kreispostdirektion gewählt zu werden. Zurflüh packte die Chance, integrierte zur Poststelle nicht nur die Wohnung für seine vierköpfige Familie, sondern grad auch noch einen Kolonialwarenladen. Robert leitete also die Postagentur, verteilte bis zu dreimal täglich die Sendungen, seine Frau erledigte das Geschäft für den täglichen Gebrauch. Nach 31 Jahren übernahm Sohn Robert die Poststelle und zwar ganze 34 Jahre lang. 1982 stieg sein Sohn Ruedi in die Posthose und verwaltete die Poststelle zusammen mit seiner Frau Judith bis zur Schliessung im Jahr 2016. Nun betreibt das Seehotel Kastanienbaum die Postagentur.
Die Post ist da und tütato, auch das Postauto
Solche Geschichten interessieren mich. Im PTT-Archiv stosse ich auf die Familie Jaggi. Seit dem 1. Juni 1873 war ein Jaggi für die erste Postablage im Dorf Im Fang (Gemeinde Jaun) zuständig. Seit dem 1. April 1924 – und das war kein Scherz – wurde es zu einem Post-Bureau umgewandelt. Seit Beginn wurde es von der Familie Jaggi betreut. Zuerst Gottlieb, dann Heinrich und später Emil. Alfons Jaggi, der letzte Posthalter (und das in der vierten Generation), betrieb neben Im Fang auch die Poststelle Jaun, als deren Posthalter pensioniert wurde. Ende 2016 wurde die Poststelle Jaun in eine Agentur umgewandelt und im Dorfladen integriert.
Die Liebe zum Beruf kann auch durch ein Postauto gehen. So erzählt Dominik Steiner aus seiner Postautodynastie: Sein Grossvater Fritz erhielt in den 1920er Jahren einen Postführungsvertrag von Bern nach Meikirch und war zuständig, die Post hin und her zu befördern. Wenns in seinem 6-plätzigen Fiat noch genügend Platz hatte, durften auch Personen mitreisen. Das musste man dort nicht zweimal sagen, die Nachfrage nach Sitzgelegenheiten stieg, die Autos wurden immer grösser. Ab 1954 stiessen erst der ältere Sohn Ernst, danach der jüngere Fritz Junior ins Familienunternehmen hinzu. Seit 1994 lenkt und denkt Dominik Steiner als privater Postautounternehmer den Familienbetrieb. Und bereits steht die vierte Generation am Start.
Es gibt sicher noch viele andere Posthalter- und Postauto-Dynastien. Familien, die Werte, Wissen und Erbe ihrer Vorfahren weitergeben und so Kapitel für Kapitel in der Schweizer Postgeschichte schreiben. Das gilt natürlich auch für andere Familiendynastien – die den richtigen Weg zwischen Tradition und Innovation, Vergangenheit und Zukunft gefunden haben. Vielleicht kennt Ihr einige Perlen, die nur darauf warten, erzählt zu werden?
Autorin
Irma Aregger, Gastautorin (irma-aregger.ch)