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K-Stories: Der Analytiker

Unsere Kommunikator:innen begegnen täglich neuen Menschen und laden sie zum Dialog ein. Zwischen unseren historischen Objekten und den zahlreichen interaktiven Stationen finden so regelmässig spannende Gespräche und berührende Begegnungen statt. Die K-Stories geben einen kleinen Einblick in diese Begegnungen zwischen Museum und Publikum.

Ein Herr in gesetzterem Alter. Bereits sehr kritisch an der Rezeption. Er fällt mir sofort auf. Ich weiche ihm aus. Habe keine Lust, auf ihn zu treffen. Und ZACK! Sarah von der Rezeption ruft mich an. «Timothée, ein Herr möchte dich sprechen.» Wirklich su-per! Naja, wird schon gutgehen.

Ich begrüsse ihn. Er fragt, was man denn im Museum für Kommunikation sehen könne. Also  begleite ich ihn auf einen kleinen Rundgang durch die Dauerausstellung. Mir bleiben noch 15 Minuten bis zur geplanten Pause mit meinen Kollegen. Wir gehen in den Bereich Tools, in dem mehr als 550 Objekte zu sehen sind. Ich erzähle dem lieben Herrn die Geschichte des Teppichklopfers. Er sieht mich an. Hört ruhig zu. Bis zum Ende der Geschichte. Dann sagt er: «So, jetzt sind Sie glücklich, was? Sie haben Ihre kleine Geschichte erzählen können.» In einem strengen, unfreundlichen Ton. Arrogant sogar. Ich schaue ihn an. Lächle. Und sage: «Ja, ich bin froh. Ich bin mit vielen Dingen zufrieden.» Er kichert.

Wir gehen weiter. Ich erzähle ihm vom Postraub von Zürich, dem grössten Einbruch in einer Post weltweit. Mir geht es um die Diskussion, nicht um einen Monolog. Er vermeidet sie. Hört nur auf mich. Bis ich fertig bin. Dann sagt er: «Sie haben Ihre kleinen Geschichten wirklich gut gelernt, nicht wahr?» Arroganz 2.0. «Idiot», denke ich (was falsch ist, ich weiss). Und dann (ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich ausnutzen lassen), beschliesse ich, den Spiess umzudrehen und ihm mitzuteilen, was ich wahrnehme.

Ich frage ihn, ob er andauernd alle analysiert und alles, was sie sagen. Frage ihn, ob er sich nicht einfach von einer Geschichte treiben lassen und abschweifen kann. ZACK!

Damit habe ich ihn. Er blickt mich an. Ich blicke ihn an. Er hat gemerkt, dass ich keine Marionette des Museums bin. Und spricht jetzt in einem leicht melancholischen Ton. Ja, er müsse alles analysieren, was er höre. Er könne nicht anders. Jede Person, jede Aussage, jede Geste. Und er ergänzt: «Vielleicht habe ich deswegen einen Hirntumor bekommen. Ich denke zu viel nach.»

Von diesem Moment an sind wir auf einer Ebene. Nicht mehr gegen-, sondern miteinander. Gemeinsam machen wir die gesamte Museumstour. Im Dialog. Tauschen uns aus, diskutieren. Kritisieren gemeinsam. Objektiv. Wir haben Spass. Vor allem er. Ich aber auch. Er kann sich treiben lassen. Wir diskutieren gemeinsam. Offen und ehrlich.

Er hat das Museum skeptisch, kritisch und arrogant betreten. Verlassen hat er es mit einem Lächeln im Gesicht. Er hat etwas gelernt, etwas Grosses erlebt. Und ich bin glücklich über diesen Moment. Der Rundgang dauerte 40 Minuten, nicht 10 wie geplant. Es war wunderschön. Ich habe ihm etwas gegeben. Und er mir durch die Art, wie er sich verhalten hat, auch. Ein Lächeln. Eine Anerkennung. Ich würde mich freuen, ihn wieder zu sehen!

 

Herzliche Grüsse, Timothée

Autor

Timothée Olivier, Kommunikator, Museum für Kommunikation, Bern

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