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K-Stories: Was machst du nicht gerne?

Unsere Kommunikator:innen begegnen täglich neuen Menschen und laden sie zum Dialog ein. Zwischen unseren historischen Objekten und den zahlreichen interaktiven Stationen finden so regelmässig spannende Gespräche und berührende Begegnungen statt. Die K-Stories geben einen kleinen Einblick in diese Begegnungen zwischen Museum und Publikum - zum Beispiel mit diesem Jungen, der mit Lego einen Roboter gegen Mobbing entwickelt.

Es ist ein Sonntag im März 2024 im Museum für Kommunikation. Wie so oft entwickelt das Team der Kommunikatorinnen und Kommunikatoren am Morgen desselben Tages eine Aktivität für das Museumspublikum. Stefan möchte etwas mit Legosteinen machen und dabei die LEGO® SERIOUS PLAY® Methode anwenden. Wir überlegen uns eine interessante Frage, die als Grundlage für den Bau eines Legomodells durch das Publikum dienen soll. Inspiriert von der Wechselausstellung NICHTS wählen wir die Frage: Was machst du nicht gerne? Was magst du nicht?

Unsere Idee: Das, was du nicht gerne tust, könnte von einem Roboter erledigt werden. Also bauen wir einen möglichst passenden und idealen Roboter, der das tut, was du nicht gerne tust. Und los geht's!

Die Antworten auf diese Frage sind sehr unterschiedlich. Heute geht es zum Beispiel um Geschirrspülen, Wäsche waschen, Kochen, - aber auch um grössere Dinge, wie Krieg, Gewalt, Warten, öffentliche Verkehrsmittel benutzen, Mobbing oder Schikane, Spott. Die letzte Antwort stammte von einem Jungen, der vermutlich 12-13 Jahre alt ist und von seinem Vater begleitet wird.

Nachdem er die Frage mündlich beantwortet hatte, begann er, einen Roboter zu bauen, der ihm helfen sollte, mit Hänseleien (von seinen Klassenkameraden, wie ich in unserer Diskussion erfuhr) umzugehen.  

Hier ist er:

Ein Foto einer kleinen Konstruktion aus Lego. Das Werk auf roten, gelben und grünen Legosteinen sieht ein bisschen aus wie ein abstraktes Tierchen mit Augen und einem Legofigürchen, das oben draufsitzt. - vergrösserte Ansicht
Dieser Roboter hat Augen auf allen Seiten. Er erkennt so auch Spott, der ohne sein Wissen gemacht wird.

Der Roboter ist in der Lage, auf Schikane richtig zu reagieren, anstatt sie zu ignorieren. Wie kann er das? Um angemessen auf Spott zu reagieren, verfügt der Roboter über eine Datenbank: das grüne Rechteck auf der rechten Seite. In dieser Datenbank werden alle richtigen Antworten auf die Sticheleien gesammelt.

Ich fragte sehr interessiert: "Wie füllt sich diese Datenbank?" (der Vater hört dem Gespräch mit grossen Augen zu). Der Junge antwortet sofort: Sie füllt sich durch die beiden wehenden Flaggen - eine Art Internet-Netzwerk, das Daten sammelt, also alle guten Erfahrungen im Umgang mit Hänseleien. Der Roboter nutzt diese Daten je nach Situation unterschiedlich. Er greift auf die Erfahrungen vieler Menschen auf der ganzen Welt zurück, die ebenfalls mit Hohn und Spott zu kämpfen haben.

So kann der Junge dank des Roboters (besser) auf seine Mitschüler reagieren. Das ist genau das, was er mir erzählt hat.

Vorne am Roboter ist gut zu erkennen, dass eine Art Mund gute Lösungen wie ein Getränkeautomat auswirft, je nachdem, wie viel Spott er erlebt hat. Ein ausgeklügeltes und komplexes System, das Kommunikation ermöglicht.

Der Vater hört während des gesamten Dialogs aufmerksam zu, unterstützt seinen Sohn und ermutigt ihn, mehr zu sagen. Gegen Ende schlägt er seinem Sohn vor, ein Foto von seinem Modell zu machen. Als Erinnerung. Die Erklärungen des Sohnes und sein Modell beeindrucken den Vater sehr.

"Ein Foto?" - stimmt sein Sohn zu und bittet ihn sogar, ein Foto von jeder Seite des Modells zu machen, denn "jedes Detail zählt" und "er wurde aus einem bestimmten Grund gebaut!" - sagte er.

Dieser Dialog hat mich erschüttert. Als Kommunikator hatte ich einen Dialog auf der Grundlage einer spielerischen Aktivität im Zusammenhang mit unserer Wechselausstellung eingeleitet. Innerhalb weniger Minuten sah ich mich mit der ungeahnten Realität dieses Jungen und seiner Umgebung konfrontiert. Er ist sich – zu meinem Erstaunen – sehr bewusst, was er erlebt und was ihm fehlt, um besser in Harmonie mit seinen Mitschülern leben zu können.

Ach ja. Ich habe es vergessen zu erwähnen: Hinter dem Roboter befindet sich auch ein Propeller. Um zu fliehen.

Ich wünsche dem Jungen alles Gute und viel Kraft für die Zukunft. Ich bin mir sicher, dass sein Vater, der sehr betroffen ist, ihn durch diese schwierige Zeit begleiten wird und dass sie eine Lösung für diese gesellschaftlichen und schulischen Probleme finden werden.

Die Momente des Teilens und des Austauschs im Museum zwischen Publikum, innerhalb einer Familie, mit uns Kommunikator:innen sind wertvoll und einzigartig. Ich bin immer wieder erstaunt über die Wirksamkeit der Methoden, die wir anwenden, über die ungeahnten Ergebnisse und über unsere Dialogfähigkeiten, die sehr weit führen können, manchmal weiter, als wir es uns wünschen oder erhoffen.

Autor

Timothée Olivier, Kommunikator, Museum für Kommunikation, Bern

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