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Kann KI Kunst?

Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Large Language Models – bei uns im Museum werfen diese Entwicklungen neue Fragen auf. Unsere Installation AI Dance wird gerade im Grossformat an den Swiss Cyber Security Days gezeigt. Christian Rohner spürt der Frage nach, ob Computer auch Kunst erzeugen können.

An den Swiss Cyber Security Days werden die Herausforderungen des Cyberraums und das Potenzial neuer Technologien diskutiert. Wirtschaftsunternehmen, FBI und Bundesrat – Fachleute aus nah und fern sind mit dabei und im Vorraum läuft auf einem gigantischen Bildschirm die Installation AI Dance aus unserem Museum. AI Dance ist ein interaktives Echtzeiterlebnis aus unserer aktuellen Ausstellung DANCE!, das nicht nur das Bild der Besuchenden einbindet, sondern auch nie zweimal dasselbe zeigt. Denn im Hintergrund generiert ein Large Language Model – kurz LLM – einen immer neuen Strom an Bildern. LLMs sind das, was auf dem Rechner abläuft, wenn wir landläufig von künstlicher Intelligenz sprechen.

Der Bilderstrom mit dem Abbild der Besuchenden mittendrin erfüllt seine Funktion einwandfrei: Er bezieht die Betrachtenden aktiv ein und bringt sie zum Bewegen. Viele reagieren neugierig auf die Technik und bewegen sich spontan, tanzen mit der künstlich generierten Welt. Es entsteht eine spielerische Dynamik, bei der die Grenze zwischen Betrachter:in und Akteur:in verschwindet. Diese unmittelbare Interaktion erzeugt nicht nur Begeisterung, sondern auch Erstaunen über den direkten Zusammenhang zwischen den eigenen Bewegungen und den generierten Bildern. Und bei einigen löst sie auch Fragen aus. Ist das Kunst?

Ein riesiger Bildschirm mit roboterähnlichen Figuren und farbigem Hintergrund. Unten links das Logo des Museums für Kommunikation.
ein riesiger Bildschirm mit einer schemenhaften Darstellung von Mikrochip-Landschaften. Links unten das Logo des Museums für Kommunikation.
Eine grosse Eingangshalle mit rotem Teppich, am Ende der Halle ein riesiger Screen mit farbigen Flächen.

Zweifellos eine spannende Entwicklung, die auch interessante Fragen aufwirft. Obwohl ich kein Kunstexperte bin, halte ich die Integration von LLMs in Kunst und Kultur für eine ambivalente Entwicklung. AI Dance ist definitiv nicht als klassisches Kunstwerk konzipiert. Die immersive Erfahrung der Station wirft jedoch auch Fragen auf: Was ist Kunst im Kontext von LLM-generierten Werken? Wenn Algorithmen ästhetische Entscheidungen auf der Basis von vorprogrammierten Eingaben oder Daten treffen, inwiefern ist dies mit dem traditionellen Kunstbegriff vereinbar? Steckt da noch der Ausdruck von (menschlicher) Kreativität, Emotion und Intention drin? Ist die Rolle der Kunstschaffenden hier auf die von Kurator:innen oder Regisseur:innen reduziert, die Parameter und Stilrichtungen festlegen? Wer ist dann am Ende Schöpfer:in – die Person, welche die Parameter festlegt, oder das ausführende Rechenmodell? Und was bedeutet es für die Besuchenden, wenn sie nicht mehr mit einem menschlichen Gegenüber in Dialog treten, sondern mit einer technologischen Simulation interagieren?

Ein zentraler Punkt ist, dass LLMs eine bemerkenswerte Fähigkeit besitzen, bereits existierende Stile, Themen und Motive zu verarbeiten und neu zu kombinieren - wie wir es in AI Dance mit den vom Surrealismus inspirierten Prompts, dem futuristischen Design oder dem Werk von Künstler:innen wie Hajime Sorayama oder Georgia O’Keeffe umgesetzt haben. Doch die Frage bleibt: Schaffen LLMs Neues oder bewegen sie sich nur innerhalb der Grenzen des Bekannten? Und wenn sie „Neues“ schaffen, ist dies nicht oft eher das Ergebnis statistischer Wahrscheinlichkeit als einer bewusst gesteuerten kreativen Absicht?

Large-Language-Modelle können Gedichte, Geschichten oder Songtexte generieren und Ideen für Kunstprojekte liefern. Aber die Ergebnisse haben weder Intention noch Plan. Sie basieren schlicht auf riesigen Datensätzen, die das kulturelle und soziale Erbe widerspiegeln – einschliesslich bestehender Vorurteile, Klischees und Ungleichgewichte. Kann Kunst, die aus LLMs hervorgeht, wirklich als „neutral“ oder „universell“ betrachtet werden? Oder trägt sie vielmehr die Spuren der oft unausgewogenen Perspektiven, aus denen sich ihre Datensätze zusammensetzen?

An einer Wand sind bunte,leutchtende Farbflächen mit schemenhaften Personen projiziert. Davor stehen mehrere Personen, die tanzen.
Im stimmungsvollen Gegenlicht eines farbigen Scheinwerfers sind unscharf drei Personen zu erkennen.
An einer Wand sind bunte Farbflächen mit schemenhaften Personen projiziert. Davor stehen drei Personen, die sich bewegen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob LLMs tatsächlich eine Demokratisierung der Kunst ermöglichen. Zwar senken sie die technischen Zugangsbarrieren und ermöglichen es Menschen ohne traditionelle künstlerische Ausbildung, Teil des kreativen Prozesses zu werden. Gleichzeitig bergen LLMs aber auch die Gefahr einer „Massenproduktion“ von Kunst, bei der Originalität und Handwerk durch algorithmisch erzeugte Inhalte verdrängt werden. Es besteht die Gefahr, dass Kunstwerke zunehmend als reproduzierbare Produkte und nicht mehr als einzigartige Ausdrucksformen wahrgenommen werden. Wie verändert das die Kunst?

Auch die Zukunftsvision der LLMs im musealen Kontext ist nicht frei von Herausforderungen: Die Automatisierung von Recherchen oder die Erstellung von Raumkonzepten in Sekundenschnelle mag effizient erscheinen, kann aber auch zu einer Verflachung der Inhalte führen. Wenn Ausstellungen oder künstlerische Projekte primär auf Basis algorithmischer Optimierung entstehen, droht der Verlust von Tiefe, Subjektivität und kultureller Kontextualisierung. Sieht dann irgendwann alles gleich aus?

Zusammenfassend sehe ich in der Integration von LLMs in Kunst und Kultur ein enormes Potenzial, das aber auch einer kritischen Reflexion bedarf. LLMs können kreative Prozesse bereichern, aber sie bringen auch Spannungen mit sich: zwischen Mensch und Maschine, Tradition und Innovation, Originalität und Automatisierung. Vielleicht ist es an der Zeit, den Kunstbegriff neu zu denken - weniger als klar abgegrenzte Disziplin, sondern als fliessende Schnittstelle zwischen menschlicher und technologischer Kreativität. Doch genau in dieser Grenzziehung liegt die Herausforderung: Wie bewahren wir die Tiefe und den Wert menschlichen Ausdrucks in einer Ära, die von maschineller Effizienz geprägt ist?

Autor


Christian Rohner, Leiter Ausstellungen und Digitales Museum, Museum für Kommunikation, Bern

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