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Nachhaltiger Ausstellungsbau – wir haben nachgerechnet!

Mit Planetopia – Raum für Weltwandel haben wir uns mit ökologischer Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Inhaltlich, aber auch bei der Produktion der Ausstellung. Beim Aufbau setzten wir wenn immer möglich auf wiederverwendete Materialien und Geräte – und achteten beim Abbau darauf, die Bauteile erneut in den Kreislauf zu geben. Aber wie nachhaltig war dieses Vorgehen? Wir wollten es genau wissen und liessen eine CO2-Bilanz erstellen.

Das ist selbst für uns eine völlig neue Erfahrung. Beim Abbau unserer Wechselausstellung Planetopia ist das wichtigste Werkzeug kein Akkuschrauber oder ein Brecheisen. Es ist eine Waage! Das kommt überraschend, doch wer rechnen will braucht Zahlen. Also legen wir beim Abbau jedes Ausstellungselement auf die Waage und schaffen damit die Grundlage für eine CO2-Bilanz. Neben dem Erfassen des Gewichts klassifizieren wir die Bauteile nach Material und Herkunft. Auch die Zukunft der abgebauten Ausstellungselemente protokollieren wir. Die detaillierte Material- und Produktliste übermitteln wir an Trash Galore, eine Firma in Leipzig, die sich ganz der Materialwiederverwendung und der Förderung der Kreislaufwirtschaft verschrieben hat. Einige Wochen später haben wir den Impact Report auf dem Tisch. Jetzt wird es spannend!

 

Aus dem Kreislauf

Die erste Erkenntnis: Ausstellungen sind Schwergewichte. Für Planetopia verbauten wir insgesamt 10'922 Kilogramm Material. Die Materialen können in verschiedene Kategorien aufgeteilt werden, wie zum Beispiel Holz, Textilien, Metall, Elektro und so weiter. Mit fast sechs Tonnen liegt Holz eindeutig an der Spitze der Materialliste.

Interessant ist, dass von den rund elf Tonnen Material 9'504 kg wiederverwendet sind und wir nur 1'418 kg neu angeschafft haben. In Bezug auf das Gewicht haben wir Planetopia also aus 87% wiederverwendetem Material gebaut. Dieser Anteil ist etwas kleiner als die 90%, die wir in der Ausstellung kommuniziert haben. Wir liegen mit unserer Schätzung aber nicht weit daneben.

Weisse Zeichnungen auf schwarzem Grund zeigen, woher die Materialen für Planetopia kamen: Material- und Gerätefundus des Museums, Offcut, Wertstoff- und Recyclinghöfe, Brockenhäuser, Kleinanzeigen, Strassenfunde, Leihgeber:innen, Bühnen Bern, Led-Fox AG und Trash Galore. - vergrösserte Ansicht
Die wiederverwendeten Materialien stammten aus sehr unterschiedlichen Quellen – das erklärt auch, weshalb die Beschaffung ziemlich aufwändig war.

Zurück in den Kreislauf

Selbstverständlich enden unsere Bemühungen für mehr Ökologie nicht mit dem Ausstellungsende. Wir suchen für möglichst viele Ausstellungselemente eine neue Heimat. Teilweise können wir ganze Stationen an andere Ausstellungen weitergeben oder Material intern für die nächste Ausstellung verwenden. Für andere Bestandteile von Planetopia suchen wir in aufwändiger Kleinarbeit einen Ort der Wiederverwendung. Letztlich müssen wir beim Ausstellungsabbau 1’706 kg oder 16% des Materials fachgerecht entsorgen oder recyceln. 9‘215 kg oder 84% können wir der Wiederverwendung zuführen. Nach dem Abbau lebt Planetopia so weiter – auch an unerwarteten Orten wie einem Quartierladen, in Cafés, bei Privatpersonen oder in der utopischen Wagenburg Anstadt.

Zahlreiche Elemente können wir über unseren sehr gut besuchten Rampenverkauf weitergeben. Das Format hat sich bewährt. Dinge, die bei uns nicht mehr einsetzbar sind, werden anderswo gerne weiterverwendet. Damit reduzieren wir den Abfall und machen gleichzeitig andere glücklich. Sogar die Nahrungsmittel aus dem Ausstellungsbereich Ernährung können teils wiederverwendet werden – sie werden aufgegessen, sofern sie noch geniessbar sind.

 

Wie wurde berechnet?

Doch wie berechnet man nun eine CO2-Bilanz? Nichts einfacher als das … ;-)

Alle Produkte sind für klimaschädliche Emissionen verantwortlich, da in ihren drei Lebensphasen (Herstellung, Verwendung, Entsorgung) fossile Energie und weitere Ressourcen benötigt werden. Die Phase Herstellung umfasst die Gewinnung von Rohstoffen, den Transport zur Produktionsstätte, sowie die Herstellungs- und Verarbeitungsprozesse. Dort fallen in der Regel die meisten Emissionen an. Während der Verwendung treten Emissionen auf, wenn zum Beispiel für die Verwendung des Produkts Strom benötigt wird. Ausserdem zählen hier auch Ausstösse dazu, die durch die Reparatur, Instandsetzung oder den Austausch von Bauteilen entstehen. Die Entsorgung schliesslich umfasst den Rückbau, den Transport zur Abfallverarbeitungsanlage, die Sortierung des Abfalls und die endgültige Entsorgung (Verbrennung, Recycling oder Deponie). Die Auswirkungen der drei Lebensphasen eines Produkts werden in Form von CO2-Äquivalent-Emissionen (CO2eq) bestimmt. CO2-Äquivalent bedeutet, dass die Erwärmungswirkung von allen entstandenen Treibhausgasen auf den Impact von CO2 umgerechnet und zu einem einzigen Wert zusammengefasst werden.

Für unsere Analyse hat Trash Galore die detaillierte Material- und Produktliste inklusive Angaben zur Herkunft und Zukunft der Materialien ausgewertet. Weiter wurden die Materialtransporte von den Erstnutzenden zum Museum und vom Museum zu den Drittnutzenden berechnet. Nicht beachtet wurden die Emissionen, die durch die (Um-)Nutzung der Materialien durch Werkzeuge oder Strom etc. ausgestossen wurden, da es dafür keine Datengrundlage gab.

Blick in den Ausstellungsraum - das blaue Licht der Szenografie ist noch da, beleuchtet nun aber Stapel mit Kisten und Wandmodulen, die zum Abtransport bereit stehen.
Blick in einen grossen Stapel mit Material aus der Ausstellung: Tische, Kleider, Lampen und eine grosse silberne Kugel.
Elemente aus der Ausstellung liegen am Boden: Eine grosse goldige Hand, ein einzelner Finger, eine Sitzbank und ein Wassertank.
Auf Tischen aufgereiht liegt Material aus dem Museum bereit für den Rampenverkauf: Bücher, Gläser, Fussbälle und vieles mehr.

Nun wollen wir also wissen, wie viel CO2eq-Emissionen wir durch die Nutzung von gebrauchten Materialien eingespart haben. Um diese Zahl zu erhalten, muss zuerst berechnet werden, wie viel Emissionen entstanden wären, wenn wir alle Materialien neu gekauft und klassisch entsorgt hätten. Dazu braucht es die Emissionsdaten der Materialien. Trash Galore nutzt dazu verschiedene verifizierte Datenbanken und die Umweltproduktdeklarationen (EPD) der Hersteller. Für viele Elektrogeräte gibt es keine präzise Aufschlüsselung nach Herstellung, Nutzung und Entsorgung. Deshalb werden hier für solche Analysen Pauschalwerte angenommen.

Eine Bemerkung noch: Die CO2eq-Zahlen sind nur ein Aspekt des ökologischen Impacts eines Produkts. Viele weitere Faktoren spielen natürlich ebenfalls eine Rolle, wie zum Beispiel Landnutzung, Wasserverbrauch oder Giftstoffe. Sie sind in unserem Report nicht abgebildet.

 

Das Resultat

Bei der Produktherstellung (Rohstoffbeschaffung, Transport, Produktion) verursachten wir durch neu gekaufte Materialien insgesamt 2‘500 kg CO2eq. Auf der anderen Seite haben wir durch die Verwendung von Materialien aus zweiter Hand 10’377 kg CO2eq eingespart. Unter dem Strich heisst das: Eine normale Ausstellung verursacht im Aufbau rund 13‘000 kg CO2eq, bei Planetopia waren es 2‘500 kg.

Bei der Entsorgung (Transport, Müllverarbeitung, Beseitigung) verursachten wir durch klassische Abfallentsorgung 307 kg CO2eq. Demgegenüber haben wir durch die Weitergabe vieler Ausstellungsteile 991 kg CO2eq vermieden. Interessant ist der Wert, der bezüglich der Transporte zur Beschaffung der wiederverwendeten Produkte berechnet wurde. Er fällt mit 7‘389 kg CO2eq vergleichsweise hoch aus. Für die Materialbeschaffung wurden 17‘509 km zurückgelegt. Das ist eine Menge! Hier wird ein Nachteil der Wiederverwendung deutlich: Das Material muss in grösserem Umkreis zusammengetragen werden – das führt zu mehr Transportkilometern, die bei uns sichtbar werden. Es ist allerdings nicht so, dass neue Materialien nicht transportiert werden. Hier können wir jedoch keinen Vergleich machen, weil wir dazu keine Vergleichsdaten haben.

Eine Grafik mit drei grossen orangen Kreisen (herkömmliche Ausstellung) und drei kleineren grünen Kreisen (Planetopia) zeigt den CO2-Verbrauch von Ausstellungen auf. - vergrösserte Ansicht
Um die Emissionen besser nachvollziehen zu können, die wir im Zusammenhang mit Planetopia verursacht oder eingespart haben, stellen wir sie hier nochmals in Relation.

Insgesamt haben wir 10‘196 kg CO2eq-Emissionen verursacht und gleichzeitig 11’368 kg eingespart – diese Einsparung entspricht ungefähr zehn Flugreisen von Zürich nach New York oder über 36‘000 Kilometer mit dem Auto. Eine Ausstellung ohne Wiederverwendung hätte einen mindestens doppelt so grossen CO2-Fussabdruck hinterlassen. Der positive ökologische Impact ist somit belegt. Mit unserer Strategie, Planetopia so weit als möglich mit gebrauchten Materialien zu realisieren und diese nach der Ausstellung der Wiederverwendung zuzuführen, haben wir CO2eq-Emissionen vermieden.

 

Fazit

Wie wir gesehen haben, sind die Emissionen der Besorgungstouren für die gebrauchten Materialien hoch. Sie machen weit über zwei Drittel der Gesamtemissionen aus. Wären ebenso viele Emissionen angefallen, wenn wir die Ausstellung mit neugekauften Materialien realisiert hätten? Diese Frage können wir aktuell nicht beantworten. Die Bilanz macht aber deutlich: Wer gebrauchte Materialien verwendet, muss viele Fahrten machen. Oder wie es unser Szenograf Silvan Kuhl auf den Punkt brachte: Wer wiederverwendet, hat die Kilometer, die ein Produkt bis zur Nutzung zurücklegt, auf dem eigenen Zähler. Trotzdem, es lohnt sich, hier anzusetzen. Um ein Ausstellungsprojekt ökologisch noch nachhaltiger zu realisieren, ist es also entscheidend, die Beschaffung, Verarbeitung, Montage und Weitergabe der Materialien möglichst lokal zu organisieren.

Der Impact Report macht deutlich, dass die Nutzung von Second-Hand-Materialien einen sehr positiven Einfluss auf die CO2-Bilanz hat. Wir haben Abfall vermieden, Ressourcen geschont, Emissionen vermieden und Kreislaufwirtschaft gelebt. Gleichzeitig haben wir auch erfahren, dass das konsequente Wiederverwenden einen Mehraufwand erfordert: Es braucht zusätzliche Lagerfläche, der Personalaufwand ist grösser, das Umnutzen und Anpassen gebrauchter Materialien verursacht mehr Arbeit und es wird mehr Energie benötigt. Auch hier entstehen Emissionen, die in unserer Bilanz nicht auftauchen.

Kurz zusammengefasst: Wiederverwendung hat grosses ökologisches Potenzial. Und wir haben Spielraum, um es beim nächsten Mal noch besser zu machen.

Autoren

Valentin Ritler, Leiter Betrieb & Personal, Museum für Kommunikation, Bern
Ulrich Schenk, Ausstellungskurator Planetopia, Museum für Kommunikation, Bern

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