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Plantetopia 11: Raum für Erlebnisse

Schon bald neigt sich Planetopia – Raum für Weltwandel dem Ende zu. Seit einem halben Jahr finden rund um die Ausstellung Begegnungen, Diskussionen und Aktivitäten zur ökologischen Nachhaltigkeit statt. Dabei treffen immer wieder unterschiedliche Perspektiven aufeinander. Zeit für einen kurzen Blick in die Erinnerungen des Museumsteams.

Regelmässige Leser:innen dieses Blogs überrascht dies längst nicht mehr: Der Dialog ist für Planetopia zentral. Wann immer die Ausstellung offen ist, kommen Menschen zu uns und reden mit den Mitarbeitenden oder den anderen Gästen über die Themen, die wir in der Ausstellung präsentieren. Sehr rasch geht es dabei auch um den eigenen Alltag und die persönlichen Meinungen. Für diesen Beitrag haben wir die Mitarbeitenden aufgerufen, ein Erlebnis aufzuschreiben, dass ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist. Zusammengekommen sind Beiträge, die sich vor und hinter den Kulissen abgespielt haben.

 

Katharina, Kommunikatorin
Generationenwissen wieder aktivieren!

Ich mache mich auf zu einer Führung mit acht Seniorinnen einer Kirchgemeinde. Wir sitzen der eingeschränkten Mobilität wegen meistens rund um den Tisch mit dem Kartenspiel «100 Dinge» und besprechen verschiedene Themen. Sie finden das Spiel lustig, tauschen rege Karten und besprechen untereinander, was sie wirklich nicht brauchen. Dabei fallen auch einige Sätze, die mir geblieben sind:

«Also diesen Pullover hat mir mein Mann noch geschenkt, das ist sicher 15 Jahre her. Wir schauen immer auf Qualität.»

«Wir kochten, was im Garten wuchs. Für den Winter sorgten wir vor mit Einmachen und Dörren von Gemüse und Früchten.»

«Seit mein Mann gestorben ist, ist die Wohnung schon zu gross. Das werde ich bald ändern.

Ich brauche noch Platz, weil meine Enkel oft bei mir sind.»

Es ist eine sehr schöne Stimmung, interessiert, bewusst und reflektierend. Und ja, eine andere Generation äussert sich zu ökologischen Themen – das zeigt mal wieder, dass sich eben alle Altersgruppen mit den Umweltfragen beschäftigen. Und plötzlich entdeckt man Wissen wieder, das mal selbstverständlich war.

Personen sitzen an einem Tisch und spielen ein Kartenspiel: Welche dieser gewöhnlichen Haushaltsgegenstände brauche ich wirklich? - vergrösserte Ansicht
Simpel, aber bringt zum Reden: Unser Spiel, das dazu anregt, sich zu überlegen, was man wirklich braucht.

Timothée, Kommunikator und Mitglied des Projektteams
Ein ganz besonderes Weltwandelsabkommen

Als Mitglied des Planetopia-Ausstellungsteams liegt es mir sehr am Herzen, meinen Verwandten und Freund:innen die Ausstellung zu zeigen. Alle unterzeichnen am Ende des Besuchs ein Weltwandelsabkommen. Einer von ihnen macht noch viel mehr, als vereinbart.

Anfangs ist es eher ein Scherz. Doch wir nehmen uns vor, den Januar bei uns zuhause vegan zu gestalten. Ich habe Mühe: Die Einschränkungen in Restaurants, Bäckereien und Süßwarenläden sind für mich enorm. Er, ein großer Fleischliebhaber, hält durch und beschliesst am Ende des Monats, eine andere Herausforderung anzunehmen. Er hängt einen vegetarischen Monat an. Zuerst kommt der Februar, dann der März und der April. Er reiht mehrere Monate aneinander, in denen er kein Fleisch isst. «Eine Frage der Gewohnheit», sagt er heute. Man verliere die Gewohnheit, Fleisch zu essen und es fehle einem nichts. Ende April beschliesst er, weiterzumachen, Ende Mai auch. Wie wird es Ende Juni sein? Das werden wir bald wissen. Sicher ist, dass der Besuch der Ausstellung Sascha einen Impuls gegeben hat, der mehrere Monate lang anhielt.

 

Alexandra, Ausstellungskuratorin
Bloss keine Podiumsdiskussion!

Schon ganz am Anfang der Programmplanung ist uns klar, dass es auf Planetopia keine Podiumsdiskussionen mit Fachleuten geben soll. Bei solchen Veranstaltungen gibt es für das Publikum wenig Gelegenheiten, sich am Gespräch zu beteiligen. Genau das ist uns aber für alle Planetopia-Aktivitäten sehr wichtig. Wir wollen miteinander und nicht zueinander reden. Also überlegen wir uns etwas anderes. Unter dem Motto « Vom Aussterben bedroht: Peinliche Ökofragen» laden wir im März und April jeweils sechs Fachpersonen und interessierte Menschen zu einem Speed-Dating für Wissen ein. Am ersten Abend, als es ums Essen geht, bin ich nervös. Reden die Leute wirklich miteinander? Können sich unsere Gäste mit Fachwissen auf alle Fragen einlassen? Was, wenn eine peinliche Stille entsteht? Was, wenn es Streit gibt?

Tatsächlich hätte ich mir aber keine Sorgen machen müssen. Sobald der erste Gongschlag den Start verkündet, geht es los mit einem lebendigen Austausch. Man hört viel Gelächter, und die Interessierten wollen bei jeder Runde eigentlich nach den streng eingehaltenen 10 Minuten noch weitersprechen. Am Schluss des Abends, beim entspannten Plaudern ohne Zeitlimit müssen wir die Gäste fast ein bisschen rausschmeissen, so gut ist die Stimmung. Auch am zweiten Abend, diesmal geht es um politische und strukturelle Fragen, ist es ähnlich. Ich habe das Gefühl, dass beide Male alle sehr zufrieden wieder gehen – mich eingeschlossen. Einige Gäste (mit und ohne Fachwissen) melden das auch zurück. Zugegeben – es ist aufwendig, diese Abende zu organisieren und sie erreichen nicht hunderte Menschen. Dennoch stimmen sie mich hoffnungsvoll, denn ich glaube, dass diese Art, sich mit Umweltfragen zu beschäftigen, bei allen Beteiligten einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Vielleicht suchen wir die Lösungen für die Umweltprobleme am besten mit einem Bier in der Hand…

Auf einem Sofa sitzen drei Personen und diskutieren. - vergrösserte Ansicht
Ein intensiver Austausch mit Koch Kevin Wüthrich.

Christian, Leiter Ausstellungen
Politik ist wichtig!

Ein kurzes, aber einschneidendes Erlebnis: Unser Kooperationspartner WEF schlägt uns vor, Planetopia am Forum in Davos zu präsentieren und stellt den Kontakt mit dem EDA als Ausstellungspartner her. Es wäre eine Möglichkeit gewesen, an einem internationalen Treffen Planetopia mit ins Spiel zu bringen.

Es bleibt beim «wäre». Kurz drauf folgen die Bundesratswahlen, das Umwelt- und Verkehrsdepartement wird neu besetzt und das EDA lädt uns nett wieder vom WEF aus.

 

Jacqueline, Kommunikatorin
Lex Planetopia – so ein Blödsinn!

Ein grauhaariger gepflegter Herr in brauner Lederjacke steht mit seiner erwachsenen Tochter vor den Abstimmungsurnen am Kommunikator:innen-Tisch und überfliegt die drei Gesetzesentwürfe zum aktuellen Thema: Planetopia - Raum für Weltwandel. Mit seiner Abstimmungskugel hat er es in der Hand, mitzuentscheiden, welche Gesetze er mittragen würde. An diesem Tag geht es erstens ums Fliegen, zweitens darum, dass pro Person nicht mehr als 35m2 Wohnraum bewohnt wird. Der dritte Vorschlag sieht vor, dass Vermögende verpflichtet werden sollten, sich finanziell für Umwelt und Menschenwohl einzusetzen.

«So ein Blödsinn! Wer hat das verfasst? Ich als Mensch, der Recht studiert hat und auch unterrichtete, kann mich darüber nur empören!», meint der Herr. Das lässt mich als Kommunikatorin aufhorchen. «Aha, sehr spannend. Wir Kommunikator:innen haben die Gesetze entworfen. Ich bin gespannt, was Sie dazu meinen.» Er schüttelt den Kopf. «35m2 Wohnfläche pro Person, wie wäre das umzusetzen?» Er spricht sich in Rage. Ich höre zu. Seine Tochter ist wortkarg und schweift mit dem Blick durch die Ausstellung. Ich bedanke mich für seine Anregungen und sage ihm, dass ich ihn nicht länger damit aufhalten möchte. Er nimmt neuen Atem. «Entschuldigen Sie, ich kann es wirklich nicht anders sagen, das ist ein kompletter Blödsinn! Aber nun muss ich weiter. Sehen Sie, um etwas zu bewegen, braucht es drei Komponenten: Technische Innovation, Finanzen…» Unterdessen ist die Tochter weg. Er enerviert sich weiter. In einem passenden Moment unterbreche ich ihn: «Wissen Sie, trotz Ernsthaftigkeit der Situation ist Lex-Planetopia auch mit einer Prise Humor zu verstehen. Und interessant ist, dass wir trotz dieses Blödsinns einen so anregenden Dialog führen. Könnte nicht Austausch der Anfang zum Weltwandel sein?» Woraufhin er sich auf den Weg macht, um seine Tochter zu suchen.

Was ist die Lex-Planetopia? Die Kommunikator:innen haben aus den in der Ausstellung präsentierten Fakten vierundzwanzig Gesetzesentwürfe abgeleitet und lassen während mehreren Tagen die Museumsbesuchenden darüber abstimmen. Angefangen hat alles mit dem Katzengesetz. Biodiversität kann nur in einem ausgewogenen Ökosystem stattfinden. Da das grosse Katzenvorkommen grosse Auswirkungen auf die Vogelpopulation hat, fordern wir, dass nur alleinlebende Menschen Katzen halten dürfen. Dieses Gesetz ist so emotional, dass es abgelehnt wird. Insgesamt werden 16 Gesetze angenommen und 8 Gesetze abgelehnt. Spannend ist, den Entscheidungsprozess zu beobachten. Nicht selten entscheiden sich die Besuchenden für Gesetze, die sie selbst am wenigsten betreffen oder für jene, die sie am wenigsten schmerzen würden.

Obwohl die Gesetze teilweise utopisch formuliert sind, erstaunt es uns, dass sie eben doch aktuell sind. So berichtet der «Bund» über die Befürchtung von Gastro Suisse, kein Fleisch mehr in den Restaurants servieren zu dürfen. Und Genf hat dieses Jahr tatsächlich über ein Werbeverbot abgestimmt.

Und übrigens: Die Wenigsten finden diese Aktivität einen Blödsinn.

Farbige Zettel an der Wand, im Vordergrund ein grosser Zettel, der die Idee von Lex Planetopia beschreibt: Welche Gesetze braucht es auf Planetopia? - vergrösserte Ansicht
Eine Auswahl der Gesetze aus der Lex Planetopia, für alle sichtbar im Museum aufgehängt.

Stefan, Sonderkommunikator auf Planetopia
Permakultur – Gemüseanbau mit möglichst wenig Eingriff ins Ökosystem

"Zu Gast" auf Planetopia ist ein Format, um spannende Personen, Gruppierungen, Kooperativen, Kollektive in die Ausstellung einzuladen und so den Austausch mit den Besuchenden zu ermöglichen. Eine meiner Aufgaben als Sonderkommunikator ist, diese Besuche zu organisieren und zu begleiten.

An einem trüben Samstag im Dezember empfange ich meine ersten Gäste: die Hostet Elfenau. Michelle, Christine und Anna erzählen mir und den rund 15 Besuchenden, wie der Verein entstanden ist, was die Idee von Permakultur ist und wie sie diese Idee in der Hostet umsetzen. Schnell wird klar, die Hostet Elfenau stellt die Welt vom Kopf zurück auf die Füsse. Diese Leute wagen sich, die Welt neu zu denken, sich spielerisch und trotzdem seriös auf ihre Utopie einzulassen.

Die Begeisterung und das Engagement der drei Frauen springt schnell auf die interessierten Besuchenden über. Es werden Fragen gestellt, Kontakte ausgetauscht, und Empfehlungen eingeholt. Gemeinsam legen wir dann ein Permakultur-Beet im Garten vor dem Museum an. Bei einem Glas Süssmost aus der Hostet Elfenau vereinbaren wir, dass wir uns im März wieder treffen wollen, um den Garten fertigzustellen. Dies geschieht dann auch. Bei freundlichem Wetter legen wir zusammen sechs Gartenbeete an, plaudern viel und hören so manche Anekdote von dem, was Permakultur nebst Gemüseanbau sonst noch bedeutet.

Mir gefällt zum Beispiel, dass es in der Hostet Elfenau sogar eine eigene Währung gibt: den PEKU. Man kann ihn weder kaufen noch investieren. Um PEKU zu besitzen, musst er mit der eigenen Energie und Zeit, die in den Garten gesteckt wird, verdient werden. Wenn dann die Ernte eingebracht wird, kann man sich mit dem PEKU einen Teil des geernteten Gemüses kaufen.

Der dritte Besuch der Hostet Elfenau steht Anfang Juni an. Dann wird der Garten mit der interessierten Quartierbevölkerung bepflanzt und gleich an die neue Gruppe übergeben. So entsteht eine weitere Permakultur-Gruppe in der Stadt Bern. Ein Ort der Vielfalt, ein Ort der Begegnung und ein Ort, der uns täglich zeigt, dass wir es auch anders machen können.

 

Valentin Ritler, Leiter Betrieb, Personal und Finanzen
Viel Veränderung hinter den Kulissen

Mit der Ausstellung Planetopia stellen sich für das Museum Fragen, wie wir intern nachhaltiger werden können. «Aber wir machen ja schon ganz viel», ist mein erster Gedanke. Im Ausstellungsprozess kommt gemeinsam mit dem ganzen Museumsteam jedoch eine ganz schöne Palette von Energiesparmassnahmen zusammen. Ursprünglich geht es um die Idee, während einer Woche im Museum den Strom abzustellen und daraus einen Event zu machen. Mit dem Team sammeln wir die Ideen und Bedenken zu einem komplett stromfreien Museum. Dabei stelle sich heraus, dass es nicht möglich ist, einfach den Hebel umzulegen und gar keinen Strom zu brauchen. Doch als dann die Energiekrise im Winter 2022/23 kommt, haben wir uns schon überlegt, wie wir weniger Elektrizität brauchen. So können wir im Jahr ca. 40'000 bis 50'000 kWh Strom einsparen. Dies entspricht rund 10% unseres jährlichen Stromverbrauches. Da bin ich mächtig stolz darauf und es geht noch weiter. (Lesen sie dazu auch die zwei Blogbeiträge «Grün ist mehr als ein Anstrich» und «Luft und Wasser statt Heizöl».)

Persönlich bleiben mir vor allem zwei Tage in Erinnerung. Bei der Kunstaktion «Die 10 Gebote Vol.2» habe ich einen Tag lang einen Stein geschoben und das auf einer stark befahrenen Strasse, durch eine Industriezone und im strömenden Regen. An einem anderen Tag habe ich mit Pickel und Schaufel im Museumsquartier ebenfalls in strömenden Regen Lebensräume für Kleinstlebewesen geschaffen. Privat dusche ich seit Planetopia nur noch kalt. Das ist sehr zu empfehlen, denn es weckt auf, fördert die Durchblutung UND spart Wasser und Energie.

In einem Raum mit Teppichen am Boden stehen zahlreiche Personen vor grossen Flipchartblättern und diskutieren. - vergrösserte Ansicht
Das Museumsteam beim Ideen sammeln.

Dies sind einige von hunderten Begegnungen und Erlebnissen, die unser Team während Planetopia – Raum für Weltwandel erfahren durfte. In zweieinhalb Jahren Vorbereitung und während der Ausstellungsdauer haben wir immer wieder gemerkt: Die ökologische Nachhaltigkeit gibt zu reden. In den meisten Fällen ist es uns gelungen, dabei konstruktiv und positiv zu sein. Das motiviert uns, auch nach dem Projekt weiter dranzubleiben.

Nun sind Sie dran! Was ist Ihr Planetopia-Erlebnis?

Autorin

Alexandra Heini, Ausstellungskuratorin, Museum für Kommunikation, Bern

zusammen mit den Anekdotenschreiber:innen

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