Es ist wichtig, was du denkst!
Planetopia soll auch eine Plattform für den Meinungsaustausch sein. Wie rege diese Möglichkeit genutzt wird, zeigen die mehreren Hundert vollgeschriebene Zettel, die sich schon angesammelt haben. Diese vielfältigen Spuren schauen wir uns genau an. Sie zeichnen ein Stimmungsbild dessen, was unsere Besuchenden zu diversen Umweltfragen denken.
Täglich erreichen uns Nachrichten über fehlenden Schnee in den Skigebieten, neue Berechnungen zur Timeline der Pariser Klimaziele und die nächste bahnbrechende Technologie, die den Klimawandel bremsen wird. Ich könnte hier einen Artikel voller weiterer Beispiele schreiben, wiederholen, was wir in allen möglichen Formen fast ständig hören. Besonders zum Klima wird wahnsinnig viel geschrieben und gesendet. Was mir in dieser Flut von Informationen fehlt, sind die Stimmen und Meinungen aus der Bevölkerung. Klar, es gibt schon Möglichkeiten, sich zu äussern. Mit einer Teilnahme an einer Klimademo oder mit dem Stimm- und Wahlzettel kann man mitteilen, wie man denkt. Aber dort, wo es darauf ankommt, Veränderungen im Einklang mit unserem Alltag voranzubringen, hört man nicht viel, was Einzelne denken. In Planetopia ist das anders: Wir laden alle ein, sich selbst aktiv mit Umweltschutzthemen auseinanderzusetzen. Dahinter steht die Überzeugung, dass es mehr Menschen braucht, die das tun, dass wir aber auch alle dort abholen möchten, wo sie stehen. Planetopia soll die Nachrichten mit dem eigenen Leben verknüpfen.
In der Ausstellung ist es uns wichtig, dass unsere Besuchenden ihre eigenen Erfahrungen und Gedanken zum Ausdruck bringen können. Im direkten Gespräch, im Rahmen unserer Vermittlungsangebote und an Stationen, denen man beim Ausstellungsbesuch begegnet. An verschiedenen Stellen fordern wir immer wieder auf, Meinungen und Gedanken in Form von Notizen, Zeichnungen und Post-its zu hinterlassen. Schon bald hat die Ausstellung Halbzeit und aus diesem Anlass möchte ich ihnen einen kleinen Einblick in diese wachsende Sammlung von Ideen und Gedanken geben.
Auf welchem Planeten möchtest du leben?
Diese Frage stellen wir allen Kindern, die die Post-Schulagenda erhalten. Darin erzählen wir auf zwei Seiten kindergerechte Umweltgeschichten. Dann können die Kinder selbst aktiv werden. Ihre Antwort auf diese Fragen zeichnen sie auf eine extra-Seite und schicken sie ins Museum. Diese Bilder hängen wir in der Ausstellung auf. Diese Visionen tun inmitten von komplizierten, manchmal schweren Themen, die wir besprechen, gut: Die jungen Mitmachenden stellen sich eine bunte, grüne und faire Welt vor. Auch beeindruckend ist, wie gut sie über Umweltfragen Bescheid wissen.
Was für Ideen im Bereich Umwelt findest du besonders mutig oder kreativ?
Fast am Schluss der Ausstellung geht es um Mut und Kreativität – Eigenschaften, die besonders gefragt sind, wenn wir uns der grössten Herausforderung der Gegenwart stellen. Viele Menschen äussern sich hier sehr politisch. Hier eine kleine Auswahl:
«Jugendliche Aktivist*innen. Sie zeigen, dass sich junge Menschen mit unserer Umwelt und dem Klimawandel auseinandersetzen.»
«Weniger Autofahren, dann fällt ein Flug auch nicht so ins Gewicht»
«Das muss von oben nach unten passieren.»
«Verzichten! Es wird nicht gehen, ohne dass wir gewisse Dinge nicht mehr machen. Aber ist das so schlimm?»
«Lobbyverbot von Ölkonzernen»
«Pensionierte müssen auch Verantwortung zeigen»
«Waschbare Windeln = eine sehr mutige Idee!»
«Weniger Arbeiten, mehr Feiern.»
System Change, Kapitalismuskritik, Postwachstum?
Kurz nach Ausstellungseröffnung erscheint auf unserer von Hand beschriebenen Wand mit Weltwandelsabkommen eine grosse, mit Bleistift ergänzte Kritzelei. Da steht neben ganz vielen Ich-Formulierungen: «Kapitalismuskritik». Eine weitere Idee, wie wir die Umweltprobleme in den Griff bekommen können. Als Ausstellungsmacherin stellt mich das ein bisschen vor ein Dilemma: Eigentlich finde ich es angebracht, dass wir Kapitalismuskritik diskutieren. Doch die Wand, an der dies steht, hat eine andere Aussage und es gibt genügend Möglichkeiten, sich in Planetopia zu äussern.
Ich entscheide mich also, «Kapitalismuskritik» auszuradieren, damit die Wand so schön bleibt, wie wir sie designt haben. Dieses Müsterchen weist jedoch auf einen Trend hin: Viele der erwachsenen Besuchenden beschäftigt die Wirtschaft sehr. Wir finden an verschiedenen Stellen Spuren dazu:
«Warum soll ich Opfer bringen, wenn die Millionäre 10x mehr Verschmutzung verursachen als ich?! F*#ck die Industriellen, die niemandem nützen...»
«System Change – wir müssen alles völlig neu denken!»
«Eine Gesellschaft, in der an erster Stelle steht, dass man sich um die Mitmenschen und die Mitwelt sorgt > Caring Society»
«POSTWACHSTUM POSTWACHSTUM»
«CO2-Bepreisung»
Nach einer Veranstaltung mit Erwachsenen blieb ein Plakat hängen. Darauf steht eine Frage, die in dieser Gruppe diskutiert wurdet: «Wir können uns das Ende der Menschheit besser vorstellen als das Ende der Marktwirtschaft. Warum ist das so?». Steile These – steile Antworten, die auch nach der Veranstaltung noch ergänzt wurden:
Leider Geil
Eine fest eingerichtete Post-it-Station kommt ohne Frage aus: Wir sammeln Dinge, die leider geil sind. Inspiriert vom gleichnamigen Song der deutschen Band Deichkind sammeln wir Erlebnisse, Hobbies, Essen, Dinge, die wir toll finden und geniessen. So kommen wir oft ins Gespräch über das gute Gewissen, über das schlechte Gewissen, unsere Bedürfnisse und wie wir sie mit einem umweltschonenden Verhalten in Einklang bringen. Und wir merken auch, dass wir alle unsere kleinen oder grösseren guilty pleasures haben. Oder wie wir an anderer Stelle schreiben: Niemand ist perfekt und das ist in auch Ordnung.
Wir machen weiter!
Wie anfangs erwähnt, sammeln wir nicht nur schriftliche Meinungen. Der Austausch im Gespräch ist ebenso wichtig. Ein ganz grosser Teil davon geschieht zusammen mit unseren Kommunikator:innen, die immer wieder in der Ausstellung unterwegs sind. Hinzu kommt ein Programm mit Gästen. Wir laden Gastorganisationen ein, die von ihrem Thema erzählen und bieten immer wieder Aktivitäten an, bei denen sich Interessierte und auch mit Fachpersonen austauschen können. Für die kommenden Monate haben wir noch viele Angebote und Aktivitäten geplant, bei denen wir weiterfragen, zuhören, diskutieren und weiter am Weltwandel arbeiten.
Das Programm finden Sie hier unter «Was läuft auf Planetopia?».
Was uns auffällt: All diese Angebote zum Dialog werden sehr aktiv genutzt. Da reiht sich Zettel an Zettel mit Meinungen, Vorschlägen, Emotionen und Fragen. Auch im direkten Gespräch merken wir wieder und wieder, dass Redebedarf besteht.Das Thema ist ganz offensichtlich für viele von uns wichtig, so dass wir uns dazu austauschen wollen. Das ist eine erfreuliche Ausgangslage – denn im gemeinsamen Dialog finden wir Lösungen, die mehrheitsfähig sind!
Übrigens…
Wir sind längst nicht die einzigen, die Fragen stellen:
- Letztes Jahr fand zu ersten Mal ein Bürger:innen-Rat zur Schweizer Ernährungspolitik statt. Die Teilnehmenden wurden ausgelost. Es sollen weitere solche Formate folgen.
- Die Zeitung Republik hat kürzlich das Klimalabor gegründet.
- Wenn Sie wissen wollen, wie die Schweiz 2050 aussieht, wenn wir im Gespräch bleiben.
Autorin
Alexandra Heini, Ausstellungskuratorin, Museum für Kommunikation, Bern
Planetopia - Raum für Weltwandel
Dieser Blog-Post entstand im Rahmen der Ausstellung Planetopia - Raum für Weltwandel.
Die ökologische Krise betrifft alle. Es ist höchste Zeit, dass wir uns den Umweltproblemen stellen und sie auf breiter Basis diskutieren. Welche Lösungen können wir entwickeln? Was ist wirksam? Was ist sinnvoll? Gemeinsam mit Ihnen wollen wir herausfinden, wie verantwortungsbewusstes Leben in der Zukunft aussieht.