Planetopia 9: Wir sind viele!
Es ist frustrierend – so viel zu tun und nur zwei Hände! So komme ich nie zum Ziel. Doch manchmal braucht es weniger als man denkt. Das habe ich gerade wieder von unseren Gästen auf Planetopia gelernt. Sie haben mich an einen Kerngedanken unseres Projektes erinnert: Gemeinsam geht es besser!
«Hmm, Dreckhaufen vor dem Museum…», mögen sie sich beim Titelbild denken. Lassen sie sich nicht täuschen – auf dem Bild sieht man eine gute Idee und wie diese sich verbreitet. Dazu später mehr.
Wenn wir uns damit beschäftigen, einen ökologisch verantwortungsvollen Alltag zu führen, gilt es, viele Entscheidungen zu treffen und man verheddert sich leicht in Details und komplizierten Überlegungen, ob man das Rindsplätzli jetzt doch kaufen soll oder die neue Jeans wirklich drin liegt. Oft ist die Suche nach einer perfekten Lösung nicht zufriedenstellend, denn unser Alltag, der Umweltschutz – ja, die Welt als Ganzes – sind nun einmal kompliziert. Bei unseren Planetopia-Aktivitäten begegne ich häufig Gesprächspartner:innen, die sich damit beschäftigen und sich fragen, wie viel sie denn eigentlich beitragen können.
Dabei geht manchmal ein bisschen vergessen, dass niemand allein ist mit diesen Überlegungen. Vielleicht erinnern Sie sich noch oder waren sogar mit dabei: Im September 2019 fand in Bern eine der grössten Klima-Demonstrationen statt, die es in der Schweiz je gegeben hat. Die Veranstalter sprachen von 100'000 Teilnehmenden. Für viele war es wohl ein Moment, in dem sie realisiert haben, dass sie nicht allein sind mit dem Anliegen, dass mehr für den Klima- und Umweltschutz getan wird – mir ging es damals zumindest so. Auch heute noch finde ich immer wieder Beispiele und Momente, die mir wieder vor Augen führen: Viele Menschen wollen unsere Natur schützen und sind bereit, sich einzusetzen und auf Veränderung einzulassen.
Weltwandelsabkommen und Wasen-Pizza
In Planetopia gibt es die Möglichkeit, sich offiziell zu einer ökologischen Veränderung im eigenen Alltag zu verpflichten. Da geht es genau um kleine Dinge, die wir alle selbst tun können. Als digitale Anwendung oder im direkten Gespräch treffen wir mit den Menschen Abmachungen, schreiben sie auf und wissen so, wie viele Menschen beim Fleisch oder der Jeans ansetzen. Bis heute haben wir über 300 mündliche und über 7500 digitale Weltwandelsabkommen geschlossen. Es gibt also bestimmt zahlreiche Personen, die das Fleisch jetzt öfter mal weglassen und auf Secondhand-Tour gehen, um eine neue gebrauchte Jeans zu finden. Mir persönlich macht dieser Gedanke immer Mut. Wie würde die Schweiz wohl aussehen, wenn wir 8.7 Millionen Weltwandelsabkommen abschliessen würden?
Häufig nehmen sich unsere Besuchenden vor, mit dem Gärtnern zu beginnen. Ja, das Titelfoto hat etwas damit zu tun. Darauf sieht man, wie Permakultur-Beete draussen vor dem Museum angelegt werden. Mit der sogenannten Wasen-Pizza ist es möglich, mitten in der Stadt direkt auf einer Wiese oder einem Stück Gras Gemüse oder andere Nutzpflanzen anzubauen. Im Herbst wird faules Gras mit Schnitzeln und Laub abgedeckt, dies bildet die Grundlage. Im Frühling kommt Kompost dazu, je nach Standort auch mit Hilfe von Maulwürfen. So entsteht eine Pflanzinsel, auf der Neues wachsen kann. Im Winter wird die Grundlage gelegt, im Frühling kann gepflanzt werden. Dies die kurze Erklärung einer unerfahrenen Gärtnerin. Die Beete im Museumsquartier wurden vom Verein Hostet Elfenau aus der Stadt Bern initiiert, der schon länger mit der Wasen-Pizza experimentiert und diese Idee vor unser Haus gebracht hat. Die Beete sind öffentlich und sollen diesen Frühling und Sommer von der Nachbarschaft im Kirchenfeldquartier gepflegt werden. Geerntet wird dann gemeinsam.
Permakulturen als Biodiversitätsinseln
Der Verein Hostet Elfenau will die Permakultur in der Stadt fördern. Freiwillig und mit viel Engagement wird seit drei Jahren in der Elfenau gegärtnert und ausprobiert. Die Permakultur ist eine Methode für die Landwirtschaft und den Gartenbau. Vereinfacht ausgedrückt ist die Grundidee, in sich geschlossene Ökosysteme zu schaffen, die jenen in der Natur nachempfunden sind. Beim Anbau wird die Rolle jeder Pflanze, jene des Bodens und jene der im Garten oder auf dem Feld lebenden Tiere berücksichtigt. So kann Biodiversität praktisch angewendet werden und hilft beim Anbau von Gemüse, Kräutern oder Früchten. Ziel ist, vernetzte Systeme zu schaffen, die sich selbst regenerieren können. In Permakultur-Gärten finden sich zum Beispiel Hügelbeete (wie die Wasen-Pizzas), Hochbeete, Trockensteinmauern aber auch Regentonnen und Kräuterschnecken, hin und wieder auch Hühner oder Laufenten – immer langfristig und mit Bedacht zusammengebracht. Als Gäste auf Planetopia hat die Hostet ihr Wissen und auch das damit verbundene Denken mitgebracht.
Permakultur ist ein Kofferwort aus den englischen Begriffen permanent und agriculture. Entwickelt wurde dieses Prinzip schon in den 1970er Jahren. Der australische Biogeograph Bill Mollison suchte nach einer Alternative zu Monokulturen, die der Artenvielfalt schaden und nur durch intensive Bewirtschaftung mit Düngern und Pestiziden Ertrag abwerfen. Aber auch die Idee selbst ist nachhaltig. Die Permakultur basiert auf drei ethischen Grundpfeilern. Der vorausschauende und sorgfältige Umgang mit den natürlichen Ressourcen wird vereint mit einem Gemeinschaftsdenken. Persönlichen und gemeinsamen Bedürfnissen wird fair und gemeinschaftlich begegnet. Es geht auch darum, nicht gewinn- sondern eben bedürfnisorientiert zu handeln, unter Berücksichtigung der Ressourcen. Permakultur ist also mehr als eine Gartenbaumethode. Sie ist mit ethischen Werten verbunden. Es geht nicht nur darum wie man nachhaltig handelt, sondern auch darum mit wem und für wen man das tut. Diese Haltung und die Permakultur verbreitete sich als Graswurzel-Bewegung über die ganze Welt – überall finden sich heute Menschen zusammen, um auf diese Weise zu gärtnern. Alle orientieren sich an den drei ethischen Grundlagen, die Mollison damals formulierte. Inzwischen sind daraus verschiedene Modelle für nachhaltiges Handeln entstanden, die auch auf andere Bereiche des Lebens und der Wirtschaft anwendbar sind. Die Permakultur ist von Australien bis vors Museum gewandert und gewachsen.
Diese kurze Reise in die Methode und der Geschichte der Permakultur zeigt auf: Wenn wir zusammenkommen und uns gemeinsam auf den Weg in eine nachhaltigere Zukunft begeben, können wir Systeme schaffen, die unsere Bedürfnisse erfüllen können und dabei aus guten Ideen Neues schaffen. Dabei spielt es keine Rolle, womit wir anfangen. Wichtig ist, dass wir etwas tun und dass wir es gemeinsam tun. Manchmal fängt es eben mit einem Wasen-Pizza-Beet vor unserer Haustür an und wächst weiter.
Willst du auch mitgärtnern?
https://www.hostet-elfenau.ch/
Willst du andere engagierte Personen und Organisationen kennen lernen?
Am 31. Mai 2023 um 18:00 findet im Museum ein Vernetzungstreffen für engagierte Personen und Umwelt-Organisationen statt. Alle, die an einer nachhaltigen Zukunft arbeiten wollen, sind herzlich eingeladen. Für mehr Infos bitte per Mail an planetopia(at)mfk.ch melden.
Autorin
Alexandra Heini, Ausstellungskuratorin, Museum für Kommunikation, Bern
Planetopia - Raum für Weltwandel
Dieser Blog-Post entstand im Rahmen der Ausstellung Planetopia - Raum für Weltwandel.
Die ökologische Krise betrifft alle. Es ist höchste Zeit, dass wir uns den Umweltproblemen stellen und sie auf breiter Basis diskutieren. Welche Lösungen können wir entwickeln? Was ist wirksam? Was ist sinnvoll? Gemeinsam mit Ihnen wollen wir herausfinden, wie verantwortungsbewusstes Leben in der Zukunft aussieht.