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So ein Theater im Museum

Was machen Schauspielende im Museum? Muss das Theater nun auch noch mit Ausstellungen gekreuzt werden? Wir haben es im Rahmen der Ausstellung SUPER – Die zweite Schöpfung ausprobiert, weil da viel Potential drinsteckt. Und wir haben viel daraus gelernt.

Eine Vision zum Start

Am Anfang unserer Ausstellung SUPER – Die zweite Schöpfung (6.11.2020 – 10.7.2022) steht nicht das Thema an sich im Vordergrund. Es ist mehr die Vision, dass wir durch ein besonderes Vermittlungsformat nicht nur eine Vielfalt von Themen, sondern auch komplexere, gar sperrige Aspekte dem Publikum näherbringen können. Wir setzen deshalb auf das Theater als Medium, das Zuschauer:innen oder Besuchende vermehrt über Emotionen erreichen soll.

Wir sind uns bewusst, dass wir uns auf ein Experiment einlassen, dass wir dem Prinzip des Rollkoffers folgen, der aus zwei bestehenden Formaten (Koffer und Rad) ein smartes Drittes bildet, einen Koffer auf Rädern. Wir wollen nichts Neues erfinden, aber wir hoffen, dass aus den zwei etablierten Medien Ausstellung und Theater ein Drittes entstehen wird, das mehr als die Summe von beiden ergibt.

Vorneweg: Das Experiment ist als Ganzes geglückt, wenn auch nicht vollumfänglich und nicht so, wie wir es ursprünglich geplant und erwünscht haben.

Zwei Schauspielende mit Schutzkleidung stehen in dramatischer Pose vor einem dunklen Hintergrund. In den Händen halten sie Schläuche. - vergrösserte Ansicht
Schauspielsequenzen können eine unmittelbar emotionale Ebene in die Ausstellung reinbringen. Mit den klassischen Ausstellungselementen ist dies nur schwer möglich.

Wenn Pläne auf die Realität treffen

Die Realität nämlich zeigt schnell, dass wir die «Rolle» des Publikums zu wenig konsequent in unsere Überlegungen einbezogen haben. Denn auch das Publikum, alle Besuchenden, spielen eine – nämlich ihre – Rolle, ob als Ausstellungsbesuchende in Bezug zu den Exponaten oder als Zuschauer:innen im Theater. Auch wenn die wenigsten das überhaupt wahrnehmen in einem gewohnten Umfeld. Wenn ich nämlich ins Theater gehe, so erwarte ich ein Theater (welcher Ausprägung auch immer) und wenn ich ein Museum besuche, so erwarte ich eine Ausstellung. Damit verknüpft habe ich dann auch eine Erwartung, was meine Rolle in diesem Ereignis ist.

Wer Erwartungshaltungen nicht erfüllt, hat verloren. Wir aber haben nicht verloren, weil wir die Erwartungen unseres Publikums ernst nehmen und nach den ersten Feedbacks das Format sowie die Inszenierung modifizieren, sprich: den theatralen Teil ablauftechnisch vereinfachen und weniger «so ein Theater machen»!

Konkret heisst das: Die vier Szenen, die über die Dauer eines ganzen Tages (Morgenszene, Mittagsszene, Abend- und Nachtszene) fix verteilt gespielt werden sollen, können nun von den Akteuren frei – je nach Publikumsandrang und Standort – angewählt werden. Wir befreien die Ausstellung vom dramaturgisch vorgeschriebenen 24-Stunden-Rhythmus. Welche Wohltat für das Publikum und die Schauspielenden! Wir lassen die Szenen auch nur dann spielen, wenn es «Sinn» macht, wenn mehrere Personen oder eine Gruppe zusammen im Raum anwesend sind. Mit der freieren Gestaltung, können die Schauspielenden viel direkter auf die Besuchenden eingehen.

Alle anderen Aktivtäten des Schauspielteams fokussieren sodann darauf, die Besuchenden individuell abzuholen, in Form von Kurzperformances oder Interaktionen. Das ist erfreulich für beide Seiten.

 

«Schauspielende können in die direkte Interaktion mit dem Publikum. Es entsteht ein Dialog, der individuell gestaltet werden kann. Eindrückliche Momente entstehen dann, wenn die Schauspielenden in ihrer festgelegten Rolle und durch ihre Handlung mit den Besuchenden ‚wahrhaftig‘ interagieren. Dies ist in der Wirkung einmalig und kann durch dieses Ermöglichen einer persönlichen Auseinandersetzung mit nichts verglichen werden.»

Sibylle Heiniger, Co-Regisseurin von SUPER

 

Auch der Verzicht auf das starre Raum-Zeit-Kontinuum (bei uns ein 24-Stunden Tag, der anfangs zum dramaturgischen Konzept gehört), das dem Theater eigen ist, ist gewinnbringend. Wiederum für beide Seiten. Die Besuchenden einer Ausstellung nämlich lassen sich nicht festsetzen, zeitlich nicht und räumlich nicht. Sie wollen frei sein und ihren eigenen Seh- und Leserhythmus leben. Da ist kein Kraut gewachsen, auch im Garten von SUPER nicht. Da können die Skills der Schauspielenden noch so präzise eingesetzt werden. No Chance, wenn die Aufmerksamkeit fehlt wegen einem «Zusatz- oder Überangebot» an Exponaten, an Filmbeiträgen, an Texten.

 

«Schauspielende sind es gewohnt, dass sie im theatralen Setting die ungeteilte Aufmerksamkeit haben. Im musealen Kontext werden sie zu einem von vielen ‚Ausstellungsobjekten‘. Die Besuchenden entscheiden selber, ob und wie lange sie vor einem Objekt verweilen. So wie ein Objekt einfach da ist, müssen auch die Schauspielenden performen, das heisst, jederzeit präsent sein. Eine Schauspielerin meinte, diese Art der Performance sei wohl vergleichbar mit Tieren im Zoo: Sie sind im ‚Ausstellungsraum Zoo‘ und tun, was sie immer tun, egal, ob ihnen dabei jemand zuschaut oder nicht.»

Sibylle Heiniger

Schauspielsequenzen aus der Ausstellung SUPER – Die zweite Schöpfung.

Hätte die Ausstellung auch ohne Theater funktioniert?

Mit den Erfahrungen, die wir machen und aus denen wir lernen, kann ich mir vorstellen, dass SUPER – wenn das «Theater» nicht zum Zuge gekommen wäre – vom Publikum als inhaltschwere und eher langweilige Ausstellung empfunden worden wäre. Die theatralen Elemente tragen dazu bei, dass auch schwierige und komplexe Themen niederschwellig vermittelt und näher an die Besuchenden gebracht werden können. Egal, ob die Begegnungen mit den schauspielenden Gärtnern vor Ort Irritationen oder Emotionen auslösen, beides kann bereichernd sein für die Besuchenden, wenn sie sich «auf dieses Theater» einlassen. Die Ausstellung erhält damit eine wichtige zusätzliche Ebene, die im Idealfall Emotionen auslöst, oder zumindest zum Nachdenken anregt.

 

Hat das Theater eine Zukunft im Museum für Kommunikation?

Wenn wir ein Theater einfach in die Räumlichkeiten eines Museums verlegen, so kann das eine nette Abwechslung sein für den Kulturbetrieb, aber von grosser Bedeutung ist das dann nicht, meint Christian Rohner, Leiter Ausstellungen und Digitales Museum im Museum für Kommunikation.

Wenn aber Theater weiterhin einen Platz zugespielt bekommen soll im Museum für Kommunikation, so muss es Rücksicht nehmen auf den musealen Betrieb. Im Gegenzug muss auch der Museumsbetrieb sich einrichten auf die speziellen Möglichkeiten, welche theatrale Elemente in Ausstellungsformate einbringen können. So entsteht ein wahrer Mehrwert. Wer wieviel von welchem Format dazugewinnt, wird wohl von Projekt zu Projekt unterschiedlich ausfallen. Ein Gewinn indes ist es sicher, wenn sich zwei bewährte Medien zu einem dritten verschmelzen.

Zudem bestätigen und bestärken die Erfahrungen aus SUPER die tagtägliche Arbeit unserer Kommunikator:innen, die mit unserem Publikum persönlich und auf Augenhöhe kommunizieren. Sie haben aber auch das Potential für weitere Vermittlungsformate, die wir gerne prüfen werden für zukünftige Angebote.

Auch ich als Projektleiter der Ausstellung SUPER bin positiv eingestellt für weitere Zusammenarbeiten zwischen den beiden Sparten. In Erinnerung an Aussprüche meiner Mutter wie: «Mach doch ned e sone Komeedi» oder «Mach doch ned e sones Theater» (Mach doch nicht so eine Komödie oder Mach doch nicht so ein Theater) an ihre Kinder, die über etwas heulen, das nach einer Stunde schon wieder vergessen ist, ziehe ich mein persönliches Fazit: Ob Komödie, Tragödie oder Theater im Museum – machen wir einfach nicht so ein Theater ums Theater. Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Umsetzung im Alltag wesentlich lehrreicher sind als theoretische Konzepte.

Autor

Kurt Stadelmann, Ausstellungskurator, Museum für Kommunikation, Bern

Dieser Text basiert auf Gesprächen mit Christian Rohner (Leiter Ausstellungen und Digitales Museum, Museum für Kommunikation, Bern), Sibylle Heiniger (Co-Regisseurin bei SUPER) und dem Experten Werner Hanak-Lettner.

Literatur zum Thema:

Werner Hanak-Lettner: Die Ausstellung als Drama. Wie das Museum aus dem Theater entstand
Gabriele Kindler (Hg.): MuseumsTheater. Theatrale Inszenierungen in der Ausstellungspraxis

 

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