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Was kann das Museum? Teil 3/5 – Absichten

Die Aufgaben und Möglichkeiten von Museen wandeln und erweitern sich ständig. Was bedeutet es, wenn sich das Museum von einem kulturellen Ort zu einem sozialen Resonanzraum der gesellschaftlichen Auseinandersetzung und Meinungsbildung entwickelt? Der dritte Teil dieser Blogreihe dreht sich um Strategien, Konzepte, Ergebnisse und unseren Umgang mit Erfolg oder Misserfolg von Partizipation im Museum.

Total positiv und bereichernd

Mit mir am Tisch sitzen Konstantin Lannert, Kurator für das Bolongaro-Museum Höchst, einer Aussenstelle des Historischen Museums Frankfurt, Laura Hollingshaus, Kuratorin für Vermittlung, digitale Vermittlung und Outreach am Jungen Museum, einer Innenstelle des Historischen Museums, und, wie bereits gestern, Angela Jannelli. Auch heute starten wir mit einer assoziativen Runde: Was fällt euch spontan ein, wenn ihr an Partizipation im Museum denkt? «Partizipation ist eine grossartige Erweiterung der Museumsarbeit, total positiv und bereichernd.» Laura mag das gegenseitige Kennenlernen, die Wertschätzung für die Menschen, für ihr Wissen und ihre Erfahrungen, Konstantin das Empowerment, die Selbstermächtigung, die mit Partizipation einhergeht, und auch das oft spürbare Verständnis füreinander. Allerdings ist dazu viel Aufmerksamkeit nötig. Partizipation ist anstrengend (das kommt mir doch irgendwie bekannt vor …), man sollte sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es ist ein permanentes Austarieren der Rollen, der Beziehungen, der Zusammenarbeit. 

Angela bringt ihre Faszination auf einen einfachen Nenner: Es geht um Menschen. Zweifellos ist das herausfordernd und braucht Energie. Es braucht bei allen Beteiligten aber auch noch was anderes: Neugier. Neugier (und nicht etwa Mut) sei das Gegenteil von Angst, haben die Sachbuchautoren und Kreativproduzenten Roman Tschäppeler und Mikael Krogerus einmal vorgeschlagen, von daher passt das schon als Grundlage für erfolgreiche Partizipation. Vertrauen ist ein weiteres zentrales Element, auf vielen Ebenen. Umgekehrt fördert Partizipation auch das Vertrauen in unsere Institutionen und in die Museumsarbeit, die wir leisten. Laura bringt das Bild der Tanzpartnerschaft ein, als Idealzustand einer partizipativen Zusammenarbeit. All das motiviert meine Gesprächspartner:innen, sich für partizipative Formate zu engagieren. Nicht zu vergessen die Geschichten, um die sich Partizipation in der Regel dreht, ergänzt Laura. Und dass er in der Rolle des Enablers Dinge ermöglichen kann, findet Konstantin. Ja, auf Augenhöhe, pflichtet Angela bei. «Wobei das», relativiert sie sogleich, «so eine Sache ist mit dieser Augenhöhe.» Wir sind ja nie alle gleich, haben unterschiedliche Rollen, Kompetenzen, Fähigkeiten, Kenntnisse. Es hilft, wenn wir offen und aufmerksam miteinander umgehen.

Partizipation macht uns nicht zu besseren Menschen und unsere Häuser nicht zu besseren Museen, aber sie verändert uns. Um den Kommentar von Michelle Huwiler zum gestrigen Blog aufzugreifen: Ja, Partizipation hat die Kraft zu verändern, sind wir uns einig, und diese Kraft wirkt unweigerlich. Aber oft wirkt sie nicht auf allen Ebenen einer Museumsinstitution. Häufig bleibt eine Diskrepanz zwischen der Museumspraxis und den bestehenden Strukturen. Mit Partizipation wird häufig der Wandel an die Programmseite des Museums und die Multiperspektivität an die Publikumsseite delegiert, während die internen hierarchischen Strukturen resistent sind und sich nicht gross verändern. Wie sich die entstehenden Spannungen in einer Institution letztlich bemerkbar machen und welche Konsequenzen sie haben, bleibt offen.

Gmeinsam etwas schaffen

«Welche Erwartungen habt ihr an Partizipation?», will ich wissen. Am besten ist es, ohne Erwartungen an die Sache heranzugehen, findet Angela. Aber natürlich verbindet auch sie Hoffnungen mit dem P-Wort: dass die Beteiligten wohlwollend sind, dass Irritationen entstehen, neue Einblicke möglich sind und neue Ideen aufkommen. «Und ich hoffe sehr, dass unsere Projekte demokratisierend wirken», fasst sie zusammen. Eigentlich will ich gar nicht, dass meine Erwartungen alle erfüllt werden, ergänzt Konstantin. Es wäre ja schade, wenn alles genau so kommt, wie ich es erwartet habe. Gleichzeitig ist da auch die Angst, dass die Erwartungen der Partizipierenden nicht erfüllt und das Versprechen der Partizipation nicht eingelöst wird. Es reicht ja nicht, einfach nur die Tür zu öffnen und ein weites, offenes Feld anzubieten. Das ist für die meisten Beteiligten die pure Überforderung und funktioniert so nicht. Wir müssen zeigen, begleiten, spiegeln, ermuntern, anregen … Eigentlich unterlaufen wir dadurch die Magie des Museums. Wir verraten unsere Zaubertricks. Das nehmen wir gerne in Kauf.

Nächste Frage: «Haben sich eure Erwartungen im Lauf eurer Tätigkeit gewandelt?» Ja, Partizipation wurde als Kategorie zunehmend politischer. Weshalb Angela heute auch lieber von Teilhabe sprechen würde. Sie findet, Partizipation werde oft missbraucht: Die Leute dürfen jetzt auch mal was sagen und ein paar Post-its kleben. Aber P ist eben mehr als eine Methode, sie ist eine Haltung, muss sich als Haltung manifestieren: die Anerkennung und Verwirklichung des Rechts auf Teilhabe. Das findet auch Konstantin: nicht bloss «mitmachen», sondern «gemeinsam etwas schaffen». Schliesslich arbeiten wir hier im Historischen Museum im Auftrag der Öffentlichkeit, ergänzt Laura, sie bezahlt uns. Das sollte ein wichtiger Bestandteil unseres Selbstverständnisses sein. Und was passiert, wenn ihr scheitert? Natürlich wäre das unangenehm, niemand will scheitern. Aber im Grunde ist es ein spannendes Thema. An Tagungen und Präsentationen werden ja stets nur die Erfolge rumgezeigt. Ein gewisser Druck ist sicher vorhanden. Dass etwas wirklich in den Sand gesetzt wurde, dass ein Projekt abgebrochen werden musste, haben die Anwesenden noch nie erlebt, sehr wohl aber, dass Projekte verändert wurden. Der Kurs wird angepasst, wenn sich das Ziel ändert. 

Zum Schluss unseres Workshops sprechen wir nochmals kurz über die Frage der Entlöhnung. Es gibt verschiedene Modelle und Kategorien der Partizipation, die sich kaum trennscharf unterscheiden lassen. In der Regel werden im Fall einer Bezahlung die Bedingungen schriftlich festgehalten, zum Beispiel in einer Bestellung oder einem Auftrag mit einer mehr oder weniger genau definierten Leistung und einem vereinbarten Honorar. Ein solcher Vertrag ist bindend. Bei ihren partizipativen Formaten haben Laura, Konstantin und Angela noch nie eine schriftliche Vereinbarung mit den Partizipierenden aufgesetzt und unterzeichnet. Aber sie haben zum Beispiel auch schon Kunstschaffende in ein Projekt einbezogen, die auf Vertragsbasis und gegen Bezahlung partizipiert haben. Wichtig ist, darüber sind wir in uns einig, dass für alle Beteiligten gerechte Bedingungen geschaffen werden und die Entscheide transparent gemacht und begründet werden. Dazu gehört auch der Umstand, dass wir Museumsleute im Rahmen unserer bezahlten Anstellung dabei sind. Unter diesen Bedingungen sollte sich kein Graben zwischen Freiwilligen und Bezahlten auftun. 

Am Workshop von morgen Donnerstag kommen Teilnehmende von partizipativen Projekten zu Wort. Ich bin gespannt, ihre Sicht der Dinge zu hören.

Worum geht es hier?

Vom 10. bis 14. Februar verbringe ich fünf Tage im Historischen Museum Frankfurt. Ich tausche mich mit Mitarbeitenden und Teilnehmenden von Partizipationsprojekten aus und halte meine Eindrücke und Erkenntnisse jeweils in einem Blogbeitrag fest. Die Beiträge werden täglich um 18:00 Uhr publiziert.

Was denkst du zu diesem Thema? Welche Erfahrungen hast du in deiner Museumstätigkeit gemacht? Wo siehst du die grossen Herausforderungen? Was freut oder stört dich? Nimm an der Diskussion teil und schreib einen Kommentar. Gib bei deinem Namen auch an, wo du arbeitest. Und halte dich so kurz wie möglich – wie bei einem Ausstellungstext ;-) Herzlichen Dank!

Dieses Projekt wird unterstützt vom ICOM x Movetia Mobility Project.

Autor

Ueli Schenk, Ausstellungen, Museum für Kommunikation, Bern

Kommentare (3)

  • Andreas Geis
    Andreas Geis
    vor 1 Woche
    Danke Ueli und Kolleg:innen für die spannende Auseinandersetzung! Was mich häufig an partizipativen Vorhaben in Museen fasziniert, ist die Rolle, die Museen dabei einnehmen. Schon in der Kommunikation: Wir als Museum benötigen Menschen mit ihrem spezifischen Wissen und Kompetenzen für unser Angebot, um zu verstehen, zu bewahren, zu vermitteln. Wir machen Museum gemeinsam.

    Klar zu sagen, warum wir Beteiligung benötigen und was mit den Ergebnissen passiert, steigert die Motivation, dabei zu sein – und erklärt nebenbei Museumsarbeit. Ich habe den Eindruck, dass durch diese co-kreative Zusammenarbeit relevante Museumsangebote entstehen.
    • Angela Jannelli
      Angela Jannelli
      vor 1 Woche
      Was für mich das Schönste ist: Alle gehen anders aus einem partizipativen Prozess raus, als sie hineingegangen sind. Das können große oder auch kleine Veränderungen sein. Deshalb finde ich wie Nico, dass partizipative Prozesse viel mit Entwicklung zu tun haben. Und auch Andreas kann ich nur zustimmen: Das ist wirklich faszinierend. Und man weiß wirklich nie, was sich entwickeln und verändern wird. Und Museen sind wirklich gute Räume, um solche Prozesse anzustoßen.
  • Nico Gurtner, Museum für Kommunikation
    Nico Gurtner, Museum für Kommunikation
    vor 1 Woche
    Ich finde den erwähnten Aspekt der Spannung zwischen Partizipations-Mitarbeitenden (ich nenne sie jetzt einfach mal so) und den Museumsstrukturen interessant.
    Wenn P vor allem Beziehungsarbeit ist, dann ist das Ergebnis kein Produkt, sondern eine gemeinsame Entwicklung, nicht? Müsste diese Erfahrung dann nicht auch wieder über Beziehungsarbeit - diesmal gegen innen - weitergegeben werden? Persönliches Erleben kann vermutlich nur im persönlichen Dialog (teilweise) weitergegeben werden.

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