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Wo unsere Besuchenden handeln wollen

Um die Klimakrise abzufedern, braucht es auch individuelle Anstrengungen. Auswertungen aus unserer Ausstellung Planetopia zeigen, wo die Menschen am ehesten bereit sind, ihr Verhalten anzupassen. Gleichzeitig wird auch klar, wo die grösste Lücke zwischen Wissen und Handeln besteht. Zum Schluss gibt’s trotzdem eine gute Nachricht.

Mit dem Klimaschutzgesetz, das am 19. Juni 2023 angenommen wurde, haben wir erstmals auch eine politische Roadmap für den Umgang mit der Klimakrise. Doch was geschieht auf der individuellen Ebene? Wo sind die Menschen bereit zu handeln, wo bleibt die Lücke zwischen Wissen und Tat am grössten?

Mit unserer Ausstellung Planetopia – Raum für Weltwandel  haben wir im November 2022 den Öko-Dialog ins eigene Haus geholt. 45'000 Besuchende haben die Ausstellung bereits gesehen und sich ins Thema reingekniet. Ein digitales Tool in der Ausstellung liefert nun zum Schlussspurt der Ausstellung interessante Hinweise über ihr Verhalten. Diese Daten sind weder repräsentativ noch abschliessend – die hohe Zahl an Rückmeldungen lässt aber interessante Schlüsse zu.

Speiseplan als beliebter Ansatzpunkt

Die Planetopia-Besuchenden füllen einen digitalen Fragebogen aus. Am Ende der Ausstellung können sie wählen, in welchem Bereich sie aktiv werden möchten. 10'000 Personen haben ein solches «Weltwandelsabkommen» mit dem Museum abgeschlossen. Eindeutig am meisten von ihnen wollen beim Essen ansetzen. Dabei geht es in erster Linie um die Reduktion des Fleischkonsums, aber auch das Verringern von Foodwaste ist ein beliebtes Ziel. «Ich werde meinen Fleischkonsum in den nächsten zwei Monaten auf drei Mal die Woche reduzieren», schreibt eine Nutzerin beispielhaft. Ein anderer Nutzer nimmt sich vor: «Nie Essen wegschmeissen.»

Eine Person steht vor einem Touchscreen und wählt darauf aus verschiedenen Handlungsbereichen ein Thema aus. - vergrösserte Ansicht
An verschiedenen Bildschirmen in der Ausstellung beantworten die Besuchenden Fragen zu ihrem eigenen Verhalten. Am Ende können sie wählen, in welchem Bereich sie ein sogenanntes "Weltwandelsabkommen" mit dem Museum abschliessen wollen.
Eine Person steht vor einem fiktiven Lebensmittelregal in der Ausstellung und studiert nachdenklich die Informationen zur Ernährung. - vergrösserte Ansicht
Die Ernährung ist der Lieblingsbereich, wenn es darum geht, das eigene Verhalten zu ändern.

Insgesamt 37% setzen sich ein Ziel in Zusammenhang mit der Ernährung, gefolgt von 24%, die sich beim Kleidungskonsum höhere Ziele setzen wollen. Ist das nicht überraschend, wo doch gerade um das Essen die hitzigsten Debatten geführt werden? «Mir leuchtet sehr ein, warum diese beiden Themen am häufigsten gewählt werden», meint Ausstellungs-Cokuratorin Alexandra Heini. «Bei diesen Themen kann man etwas ändern, ohne auf Genuss und Style zu verzichten.» Wer sich realistische Ziele setzt, bleibt auch eher am Ball und steckt sich vielleicht danach ein neues Ziel. Zudem hat Essen auch eine starke soziale Komponente. Am Esstisch sitzen wir beisammen und tauschen uns aus. Ein entsprechendes «Weltwandelsabkommen» wird da schnell zum Thema und animiert zum Mitmachen. Und das ist ganz im Sinn von Planetopia.

Ohne Auto lieber nicht

Rund um unsere Wohnungen gibt es grosse Energiesparmöglichkeiten. Doch als Mietende haben viele wenig Einfluss auf entscheidende Aspekte wie Isolation, Heizung oder Solarpanels auf dem Dach. Es überrascht deshalb nicht, dass nur 15% sich hier ein Ziel setzen. Eine grosse Lücke offenbart sich bei der Mobilität. Wir sind viel unterwegs und der Verkehr verursacht fast 40% des Schweizer CO2-Ausstosses. Vieles dreht sich hier ums Auto: Im Durchschnitt verbringen wir täglich 90 Minuten im Verkehr, gut zwei Drittel davon im Auto. Offensichtlich ein beachtliches Potential zur Veränderung. Grossen Willen zeigen die Ausstellungsbesuchenden allerdings nicht. Das Auto ist eng mit Gewohnheiten und Freiheit verknüpft. Und es ist ein heisses Eisen in der Klimadebatte. Wie leicht man sich daran die Finger verbrennen kann, das haben Abstimmungen in den letzten Jahren gezeigt.

In einem farbigen Kreisdiagramm wird angezeigt, in welchem Bereich die Museumsbesuchenden handeln: 37% bei der Ernährung, 24% bei der Kleidung, 16% bei der Mobilität, 15% beim Wohnen - nur 1% sieht keinen Handlungsbedarf. - vergrösserte Ansicht
Die Besuchenden haben klare Präferenzen, wenn es darum geht, wo sie im eigenen Leben ansetzen wollen.

Auch beim überdurchschnittlich motivierten Planetopia-Ausstellungspublikum (die Mehrheit hat ein mittleres bis hohes Umweltbewusstsein) bleibt die Mobilität ein herausforderndes Thema. Gehandelt wird weiterhin am liebsten dort, wo man in kleinen Schritten ausprobieren kann, ohne viel zu riskieren. Das grosse Dilemma bleibt: Das individuelle Engagement stösst schnell an Grenzen – seien es persönliche oder auch strukturelle. Das beschäftigt auch viele Besuchende. Reicht es, wenn ich aufs Vegi-Menu setze? Macht die Politik genug?

Ökologisches Verhalten ist selten ohne Widersprüche. Doch aus vielen Gesprächen haben wir gelernt, dass eine Verhaltensänderung auch der Anfang ist, um die Haltung zu verändern. Und: Fast alle Ausstellungsbesuchenden sehen Handlungsbedarf und finden, dies sei auch möglich, wenn es keine perfekte, widerspruchsfreie Lösung gibt. Nur 1% sieht keinen Handlungsbedarf und setzt sich kein Ziel, um das eigene Verhalten anzupassen.

Autor

Nico Gurtner, Leiter Marketing & Kommunikation, Museum für Kommunikation, Bern

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