Grün ist mehr als ein Anstrich
Ökologie in der Ausstellung, aber auch hinter den Kulissen – eine Herausforderung, die das Museum für Kommunikation angenommen hat. Dank vielen Bemühungen haben wir in 10 Jahren unseren Stromverbrauch um 30% reduziert, trotz deutlich mehr Besuchenden. Und wir sind sicher, da liegt noch mehr drin! Ein Überblick als Inspiration, Energie für eine grünere Zukunft zu sparen.
Planetopia (bei uns) in Bern. Natur. Und Wir? in Lenzburg. Repair Revolution! in Zürich. Erde am Limit nach Basel nun ebenfalls in Zürich. Die ökologische Krise ist definitiv in der Museumswelt angekommen. Das ist erfreulich, schliesslich stehen wir vor einer grossen Herausforderung – jeder Beitrag zählt. Bei genauerem Hinsehen stehen wir jedoch erst am Anfang. Auch in den Museen. Denn wenn ich mir spannende Ausstellungen anschaue, läuft im Hintergrund ein grosser Apparat, der mein Erlebnis möglich macht. Museen brauchen Energie. Viel Energie. Zum Heizen, Kühlen, Lüften. Für diffizile Objekte, die anspruchsvolle Lagerbedingungen brauchen.
Doch da müssen auch Lösungen sein. Wie bei den meisten Herausforderungen geht es darum, die richtigen Stellschrauben und kreative Lösungen zu finden. Im Museum für Kommunikation arbeiten wir seit über 10 Jahren daran. Wir haben gesucht, sind manchmal gescheitert, zum Glück sind wir aber auch fündig geworden: 2022 brauchen wir 30% weniger Strom als 2012! Dabei ist das Publikum in der gleichen Zeit um einen Viertel gewachsen. Und wir sind überzeugt, dass wir noch mehr herausholen können. Dazu hat uns nicht zuletzt unsere eigene Ausstellung Planetopia motiviert. Einsparungen, die sich positiv auf die Umwelt auswirken und auf Grund der hohen Energiepreise auch auf der finanziellen Seite bemerkbar machen.
Nachhaltigkeit wäre eigentlich in der DNA jedes Museums enthalten, denn nachhaltiges Handeln ist der Kern von Museumsarbeit. Schliesslich bewahren wir die Vergangenheit für die Zukunft auf. Ökologische Nachhaltigkeit ist trotzdem auch heute noch keine Selbstverständlichkeit. Aber vielleicht wird sie es gerade?
Auf das Bewusstsein folgt der nächste Schritt: genaues Hinsehen. Und wer erstmals den Energieverbrauch eines Museums im Detail analysiert, stellt mit Erstaunen fest, dass Museen im Sommer mehr Strom brauchen als im Winter. Kühlen ist sehr energieintensiv. Ein Problem, das sich mit der Klimaerwärmung noch weiter verschärfen wird.
Hier folgt nun eine kleine Chronologie unserer Schritte, Herausforderungen und Sackgassen auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Museum.
Ein Museumsdepot für die Zukunft
Die Sammlungsdepots sind das Herzstück von Museen. Hier wird Geschichte konserviert – Objekte als Zeitzeugen müssen so aufbewahrt werden, dass sie auch künftigen Generationen von prägenden Entwicklungen, Wendepunkten und den Erlebnissen der Menschen erzählen können. Der Spielraum ist hier klein, da die konservatorischen Bedingungen für die Museumsobjekte oft in engen Grenzen liegen. Energie zu sparen ist deshalb eine besondere Herausforderung.
Manchmal hilft es, die Dinge neu zu denken. So wie das unser Architekt Patrick Thurston macht, als wir anfangs der 2010er-Jahre den Neubau einer Fahrzeughalle neben unserem Sammlungsdepot in Schwarzenburg planen – ohne Klimaanlage. Keine automatisierte Be- und Entfeuchtung, keine Fixtemperatur mittels Heizung und Kühlaggregat. Das scheint erst einmal unmöglich zu sein. Doch es zeigt sich: Das ist machbar! Thurston entwirft das kühne Konzept einer riesigen Holzhalle, die dank Bretterstapeln aus rauer Weisstanne bei der Feuchtigkeitsregulation mithilft. Unter dem Dach zieht der Wind durch und gleicht damit das Klima aus, genauso wie die Lamellen auf der Sonnenseite vor Überhitzung schützen. Das ausgeklügelte Bauwerk – es erhält nach der Einweihung 2015 den Prix Lignum in Gold – reguliert sich weitgehend selbst. Die Klimawerte bleiben stabil und innerhalb der definierten Grenzen. Wichtiger als eine automatisierte Regulierungstechnik ist hier Konservator-Restaurator Tim Hellstern. Er kontrolliert Raumklima und Objekte regelmässig. Notfalls kann er mit der Bodenheizung korrigierend eingreifen, falls die Feuchtigkeitswerte einmal zu hoch werden. Das kommt aber selten vor. Objektschäden hat er in fast 10 Jahren Betrieb keine festgestellt. Dafür schläft er gut, denn der Konservator:innen-Alptraum – ein Stromausfall und damit das Entgleiten der Klimawerte – ist ausgeschlossen.
Davon ahnen die grasenden Schafe vor dem Museumsdepot nichts. Sie haben vor einigen Jahren den motorisierten Rasenmäher als ökologische Alternative ersetzt. Heute blicken sie etwas erstaunt auf die zwei grossen Aggregate der im September 2022 installierten Luft-Wasser-Wärmepumpe (lesen Sie dazu auch den Blog-Post «Luft und Wasser statt Heizöl»). Das Museumsgebäude an der Helvetiastrasse wird schon seit Jahren mit Fernwärme geheizt, mit der Wärmepumpe im Depot verabschiedet sich das Museum für Kommunikation endgültig vom Heizöl. Den Strom bezieht die Wärmepumpe grösstenteils von einer Photovoltaikanlage. Die wurde bereits 2014 auf dem Dach der preisgekrönten Fahrzeughalle installiert.
Wirksame Massnahmen im Museumsgebäude
Vor dem Museum für Kommunikation in Bern versammelt sich derweil eine Schulklasse, die sich die Ausstellung Planetopia – Raum für Weltwandel ansehen will. Unser Stolz: Die Ausstellung ist zu 90% aus wiederverwendetem Material gebaut (siehe Blog-Post «Eine Ausstellung nachhaltig bauen – Wie geht das?»). Die Scheinwerfer richten wir in Planetopia zum Beispiel auf unseren Kleiderverschleiss und unsere Ernährungsgewohnheiten. Nicht nur im übertragenen Sinn. Haben Sie sich schon einmal darauf geachtet, was über Ihnen hängt, wenn Sie eine Ausstellung anschauen? Eine Decke voller Lampen, Leuchten, Röhren und Spots. Sie wegzulassen, das schaffen wir nicht. Entscheidend ist jedoch, was für Leuchtmittel zum Einsatz kommen.
Als wir 2016 unsere Dauerausstellung rundum erneuern, rüsten wir deshalb alle Lichter in der Ausstellung auf LED um. Der Effekt auf den Stromverbrauch ist so beachtlich, dass wir 2020 auch gleich noch alle anderen Leuchtmittel im Museum umrüsten. Ein grosser Aufwand, der sich sehr gelohnt hat.
Grosse Massnahmen bei der Beleuchtung oder im Depot, genauso wie kleine Anpassungen wie etwa im Sortiment unseres Museumscafés helfen mit, dass im gesamten Museumsteam die Sensibilität für das Thema Ökologie stetig steigt. Wir stellen uns immer mehr Fragen zu den ökologischen Auswirkungen unserer Aktivitäten. So entstehen im Team rund um das Projekt Planetopia verschiedene neue Ideen: Hinter den Kulissen werden bald vermehrt Lichter gelöscht, der Lift ignoriert, Druckauflagen reduziert und wir trinken nun Leitungswasser statt Mineralwasser aus der Flasche. Im Winter 2022 senken wir die Bürotemperaturen, stellen das Warmwasser ab, verkürzen die Laufzeit der Lüftung und schalten auch die nächtliche Aussenbeleuchtung aus. Unsere grafische Sammlung verschieben wir vom 2. Obergeschoss ins 3. Untergeschoss. Dadurch muss sie nicht mehr zusätzlich gekühlt werden, weil im Untergrund die Temperatur konstant tief ist. Manchmal braucht es nur eine gute Idee. Manchmal beissen wir uns an scheinbar kleinen Problemen die Zähne aus.
Ein Beispiel? Die Temperatur in einer Ausstellung orientiert sich nicht in erster Linie am Wohlbefinden der Besuchenden. Priorität hat die Unversehrtheit der ausgestellten Sammlungsobjekte. Wie schaffen wir es konservatorische Anforderungen für die Museumsobjekte und ökologische Wünsche zusammenzubringen (darum kümmert sich übrigens seit kurzem auch die Plattform Museumsklima)? Dabei geht es nicht nur um unsere eigenen Objekte. In den Ausstellungen stehen auch Leihgaben von anderen Museen, mit vertraglich festgelegten Klimawerten. Der Spielraum ist teilweise so eng, dass wir sogar einen Leihvertrag nachverhandeln. Nach langen Diskussionen einigen wir uns auf einen Kompromiss. Im Winter heizen wir auf maximal 20 Grad, im Sommer kühlen wir nur noch auf 24 Grad. Das ist ein Grad mehr Spielraum in beide Richtungen als vorher. Klingt nach wenig. Macht aber trotzdem viel aus. Gemäss Expert:innen reicht ein Grad, um 5-6% weniger Energie zu verbrauchen.
30% Strom haben wir bereits eingespart, vom Heizöl haben wir uns ebenfalls verabschiedet. Viele der 2022 ergriffenen Massnahmen werden ihre Wirkung aber erst im laufenden Jahr zeigen. Wir sind gespannt, wie sie sich auf unseren Stromverbrauch auswirken. Schaffen wir es – wie geplant – unseren Energieverbrauch noch weiter zu senken? Finden wir noch mehr ökologische Lösungen für unsere Gebäude und tägliche Arbeit? Wir bleiben auf alle Fälle dran!
Und wo setzen Sie an? Haben Sie Ideen, die auch bei uns umsetzbar sind? Wir freuen uns auf Anregungen!
Autor
Nico Gurtner, Leiter Marketing & Kommunikation, Museum für Kommunikation, Bern