K-Stories: Was ich nicht frage...
Unsere Kommunikator:innen begegnen täglich neuen Menschen und laden sie zum Dialog ein. Zwischen unseren historischen Objekten und den zahlreichen interaktiven Stationen finden so regelmässig spannende Gespräche und berührende Begegnungen statt. Die K-Stories geben einen kleinen Einblick in diese Begegnungen zwischen Museum und Publikum.
Ich bin neugierig auf Menschen, und das schöne ist, ich habe als Kommunikatorin die Legitimität Fragen zu stellen. Und noch wichtiger ist, zu wissen, welche Fragen ich nicht stelle. Und manchmal ist die gemeinsame Stille das lauteste Gespräch.
Ich stehe vor der grossen Objektwand im Erdgeschoss des Museums. Sie ist voll mit Werkzeugen, die es dem Menschen ermöglichen über Distanz zu kommunizieren. Mit einem Besucher tausche ich mich über eine Pioneer Stereo-Anlage aus. Er hat sich einen «Speech Babel»-Beitrag darüber in Arabisch angehört und freut sich über etwas unerwartet Vertrautes, über einen Beitrag in seiner Muttersprache. Leider sprächen seine Kinder mehrheitlich nur noch Englisch. Wie kommt es, dass eine Sprache nicht weitergegeben wird?
Das frage ich nicht.
Er erzählt, wie wichtig diese Kommunikationsmittel seien. In Jordanien zog seine Familie, mit ungefähr hundert weiteren Familien, in eine abgelegene Gegend. Da war nichts. Sie bauten eine ganze Infrastruktur auf und zu Beginn benachrichtigten sie einander zu Fuss, indem sie einander aufsuchten, an die Tür klopften. Erst allmählich spannten sie Leitungen und bauten Telefonnetze. Sein Vater, der oft nicht vor Ort war, telefonierte ab dann jeweils freitags. Alle der Familie versammelten sich und warteten, bis sie reihum mit dem Vater sprechen konnten. Wie kommt es, dass ein ganzes Dorf eine Stadt verlassen muss und von null an neu beginnt?
Das fragte ich nicht.
Irgendwie ist in seinem Ausdruck Erstaunen darüber, dass er davon erzählt. Gleichzeitig spürte ich eine Zurückhaltung. «Das ist gerade ein Beispiel dafür, wie wichtig unsere Kommunikationsmittel sind.» erwidere ich. Er schaut mich lange an. Dann verneint er: «Diese Nähe, ohne Infrastruktur im Dorf habe ich später nie mehr so intensiv gespürt. Heute haben wir hundert Möglichkeiten jemanden zu erreichen. Und was mache ich? Nichts! Ich rufe meinen Vater nicht an!» Wir schauen beide in die Weite, sind von unserer Stille getragen. Wie es dazu kam, das frage ich nicht. Entfernt hören wir die Kinder, wir nicken einander zu und verabschieden uns.
Jacqueline
Autorin
Jacqueline Fahrni, Kommunikatorin, Museum für Kommunikation, Bern