MyMuseum-Story: Die indischen Lysser
Was soll das Museum für Kommunikation für künftige Generationen sammeln und aufbewahren? Was erzählt die Geschichte unserer Gegenwart? Im partizipativen Projekt MyMuseum finden wir das gemeinsam mit unseren Besuchenden heraus. Unterwegs mit Kommunikator Timothée Olivier.
Was sollte das Museum für Kommunikation sammeln? Früher entschieden das allein die Sammlungskurator:innen des Museums. Heute stellen wir diese Frage auch Besuchenden in der Ausstellung und Interessierten auf unserer Online-Plattform. Im Projekt MyMuseum haben sie die einmalige Möglichkeit, für Ideen anderer zu stimmen und eigene Ideen einzubringen. Welche Geschichten und Objekte fehlen im Museum für Kommunikation? Wir sind davon überzeugt, dass wir nur gemeinsam der Nachwelt zeigen können, wie wir heute leben, was uns beschäftigt und wie wir kommunizieren.
Heute haben wir in der Ausstellung eine Aktivität entwickelt, die mit dem partizipativen Projekt MyMuseum zusammenhängt. Ich sitze am Tisch der Kommunikator:innen und bereite eine Tagesaktivität für die heutigen Besuchenden vor. Plötzlich tauchen fünf kleine Köpfe auf, die lächeln, ohne etwas zu sagen. Ich frage diese Kinder im Alter von 5 bis 9 Jahren, ob sie ein Spiel machen möchten. Sie sind dabei. Ich lege ihnen Bilder von Objekten auf den Tisch. Es sind alles Objekte, die von Museumsbesuchern für unsere Sammlung vorgeschlagen wurden. Jetzt können sie abstimmen: Nach links wischen – in den Papierkorb. Nach rechts wischen – das muss in die Sammlung! Voller Elan legen sie los und nach meinen Fragen argumentieren sie auch jedes Mal, warum dieses oder jenes Objekt in unseren Sammlungen sein sollte - oder nicht.
Nachdem wir alle zur Abstimmung stehenden Objekte durchgesehen haben, frage ich sie, ob es ein Objekt gäbe, das sie noch nicht in der Ausstellung gesehen haben und das sie gerne im Museum hätten. Zu schwierige Frage. Also fragte ich sie, was sie von zu Hause mitnehmen würden, wenn sie sehr schnell umziehen müssten. Sie nennen die Smartwatch, Geld und den Pass. Wir haben bereits eine Smartwatch in unseren Sammlungen.
Also suchen wir den Begriff „Pass“ in der Datenbank des Museums. Und wir finden nichts. Auch ich bin überrascht. Ein Gegenstand, den viele Menschen besitzen, unverzichtbar, um legal von einem Land in ein anderes zu reisen. Der Pass ermöglicht es, neue Länder zu entdecken und mit anderen Menschen zu kommunizieren. Das haben sie mir gesagt. Der Pass ist ein wichtiges persönliches Dokument, das es ermöglicht, sich auszuweisen und Ländergrenzen zu überschreiten. Er enthält Angaben zur Identität und Staatsangehörigkeit. Je nach Pass stehen uns mehr oder weniger Möglichkeiten offen.
Gemeinsam suchen wir dann in einer Datenbank mit lizenzfreien Fotos nach einem schönen Bild eines Passes – und schon haben wir der MyMuseum-Liste einen Gegenstand hinzugefügt. Sie finden einen Titel und schreiben, warum dieser Pass in die Museumssammlung aufgenommen werden sollte und warum er ein wichtiges Objekt sei. Ich frage sie, ob sie einen Gruppennamen schreiben wollen, um ihr Objekt zu veröffentlichen. Sie wählen „die indischen Lysser“ (Lyss ist eine kleine Stadt in der Nähe von Bern). Warum? Das bleibt ihr Geheimnis. Es ist ein grossartiger Moment des Austauschs und das Schönste: Sie haben mich mit ihrem Interesse und ihren Ideen überrascht. Voller Freude sind sie zu ihren Müttern gegangen und haben erzählt, was sie erlebt haben.
Ein Jahr später: Die Idee des Passes hat viele Menschen überzeugt. Fast 300 Personen haben für den Pass gestimmt. Anfang 2025 wird er daher in die Station MyMuseum im ersten Untergeschoss des Museums für Kommunikation aufgenommen. Hier können die Besucher erneut unter den zehn Objekten abstimmen, die online die meisten Stimmen erhalten haben. Welche drei Objekte daraus werden Ende 2025 für immer in die Sammlungen des Museums aufgenommen? Vielleicht ein Pass, vorgeschlagen von den indischen Lyssern.
Autor
Timothée Olivier, Kommunikator, Museum für Kommunikation, Bern